Ballacks lahmer Abgang

Gegen Österreich stehen der alte und der neue Kapitän ein letztes Mal gemeinsam im Rampenlicht. Dicke Freunde werden sie nicht mehr. Was Lahm besser macht als sein Vorgänger.
von  Florian Bogner

München - Michael Ballack wusste damals nicht, dass es sein letztes sein würde. Im März 2010 trat die Nationalmannschaft in München gegen Argentinien an und verlor 0:1. Philipp Lahm machte sein 64. und Ballack sein 98. Länderspiel – dem keines mehr folgen sollte.

Seit über drei Jahren ist nun nicht mehr Ballack, sondern Lahm Kapitän der DFB-Elf, und es passt zu Lahms gestylter Karriere, dass er sein 100. Länderspiel am Abend in München machte, beim WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich. Für Ballack dagegen blieb die Tür zum „Club der Hunderter“ zu. Immerhin: Am Freitag durfte sich Ballack offiziell vor dem Länderspiel verabschieden. „Eine klasse Geste“, wie Bundestrainer Joachim Löw findet.

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Doch Freunde werden Ballack und Lahm nicht mehr. Die beiden haben sich auch nicht mehr viel zu sagen. Für Ballack fühlen sich die Ereignisse 2010 immer noch wie Meuterei an. Von einem, von dem er es schlichtweg nicht erwartet hätte. Weil er immer so nett rüberkommt. Bei Lahm hat ein Statement immer eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluss. Er sagt nie etwas Unüberlegtes. Ballack dagegen schnauzte schon mal rum, wenn ihm etwas nicht passte. Er war kantiger, aber auch: angreifbarer. Das machte sich Lahm zunutze. 2010 in Südafrika gab’s die rechte Gerade gegenüber dem verletzten Michael Ballack, als Lahm, damals Interimskapitän, sagte, er werde die Binde nach der WM nicht einfach so ablegen. Ballack fühlte sich verraten – von Lahm und Löw. „Er ist ein intelligenter Junge. In so einer Situation gibt man nicht einfach so ein Interview. Da muss man schon einen Doppelpass mit dem Trainer führen, um sich so weit aus dem Fenster zu lehnen“, meinte Ballack, noch im März 2012 schwer gekränkt. Heute sieht er es etwas gelassener: „Irgendwann sind gewisse Dinge auch mal abgehakt.

Doch auch wenn Löw sagt, es sei „alles ausgeräumt“ – ein klärendes Gespräch mit Lahm und Löw gab es nie. Aber: Ballack hatte beide zu seinem Abschiedsspiel in Leipzig eingeladen. Seitdem kann man sich wieder „in die Augen sehen“, wie es Ballack nennt. „Man muss nicht immer alles mit einer Aussprache vom Tisch kriegen.“

Lahm bestätigte: „Zwischen uns ist alles in Ordnung. Wir werden uns nicht bekriegen.“ Schlachten haben sie schließlich einige zusammen geschlagen. Als Lahm 2004 sein erstes Länderspiel machte, war Ballack der einzige deutsche Weltstar, und die Viererkette formierte sich so: Friedrich, Wörns, Nowotny, Lahm. 2006 war Ballack Klinsmanns „Capitano“, doch Lahm war es, der in München gegen Costa Rica das Sommermärchen ins Rollen brachte. „Mein schönstes Tor“, sagt er im Rückblick. 2008 schoss dagegen Ballack das DFB-Team grimmig zum Sieg über Österreich. Lahm entschied das Halbfinale gegen die Türkei, patzte dann aber beim 0:1 im Finale gegen Spanien. Und 2010 war Ballack nicht mehr da.

„Er hat die Nationalmannschaft durch eine Zeit geführt, in der wir noch nicht so viele Talente hatten“, sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach über Ballack. Als die Talente nachsprießten, war sein autoritärer Führungsstil nicht mehr gewünscht. Lahm managt das Team von innen, nicht von oben herab. Keiner hat ihn je gewatscht, wie es Podolski einmal bei Ballack tat.
Ein großer Titel mit der Nationalmannschaft ist indes beiden bis heute verwehrt geblieben. Lahm hat in ein paar Monaten in Brasilien erneut die Chance auf den WM-Pokal. „Philipp wird noch viele, viele wichtige Spiele für uns bestreiten“, da ist sich Löw sicher. „Ich sehe noch lange nicht, dass er seinen Zenit überschritten hat.“

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