Bad Boy? Boateng wehrt sich

MÜNCHENJérôme Boateng musste am Dienstag auf seiner Facebook-Seite dringend etwas klarstellen. „Hey Leute”, schrieb er dort, „gerne nehme ich Kritik an, aber ich möchte NICHT das meine Fans, meine Familie oder ich persönlich beleidigt werden. Die Seite hier soll Spaß machen und keine Feinde schaffen! – BOA.”
Der Verteidiger des FC Bayern hat sich in der vergangenen Woche viel anhören müssen, und das nicht ganz schuldlos: Erst handelte er sich im Champions-League-Spiel gegen Bate Borissow mit einer unbeherrschten Grätsche an der Mittellinie eine Rote Karte ein, fehlt damit zumindest im Achtelfinal-Hinspiel gesperrt. Und dann war da am Dienstag dieses Foul im Training an der Säbener Straße gegen den 40-Millionen-Transfers Javi Martínez, der sich dabei eine Kapselzerrung am linken Sprunggelenk zuzog – Einsatz am Freitag gegen Gladbach aber nicht gefährdet.
Boateng hat zu beiden seine eigene Meinung. „So etwas kommt im Training schon mal vor”, sagte er zur AZ über die Grätsche gegen Martínez. Kein hartes Foul, aber an der Grenze, gerade im Training bei schneebedecktem Rasen. Und Borissow? „Ich sehe es immer noch so, dass es keine Rote Karte war”, sagt er. Wer sich die Szene noch mal anschaut, sieht Boatengs weit aufgerissene Augen, ungläubiges Staunen. „Wir alle waren überrascht, nicht nur ich. Selbst mein Gegenspieler hat gesagt, es ist nur Gelb.”
Trainer Jupp Heynckes stellte den ungestümen Verteidiger allerdings ins Achtung, erklärte zwei Tage später öffentlich: „Er muss sich cleverer verhalten, er muss lernen, dass er solche Situationen anders angehen muss.” Boateng weiß das. „Der Trainer hat gesagt, dass man die Rote geben kann und dass ich da so nicht hingehen darf – was stimmt. Aber das war jetzt die erste Situation dieser Art in dieser Saison – habe ich in der Hinrunde sonst noch was gemacht? Da war gar nichts.”
Nichts war auch im vergangenen Sommer mit dem Nacktmodel Gina-Lisa Lohfink gelaufen, das Boateng ein paar Tage vor der EM in einer Hotellobby getroffen hatte – um 3 Uhr nachts. Später tauchten Bilder auf, Boateng wurde ein Stelldichein angedichtet, Bundestrainer Joachim Löw rügte den gebürtigen Berliner und sah diesen für die Europameisterschaft in einer „Bringschuld”. Sicher sei die Uhrzeit blöd gewesen, sagt Boateng heute. Aber man sei nur in der Gruppe zusammengesessen, nichts weiter. Dennoch musste er damals zu den Anschuldigungen schweigen – vor der EM wäre jedes Wort von ihm zu viel gewesen. Zudem wollte er keinen Stress gegen eine bestimmte Zeitung führen.
Nun aber wehrt sich der 24-Jährige gegen sein Bad-Boy-Image, das eigentlich gar nicht zu seiner ruhigen, fast langweiligen Art passt. „Wenn ich jetzt schon wieder ’Rambo Boateng' lese, dann kann ich das nicht ernst nehmen”, sagt er zur AZ. „Ich habe in der gesamten Hinrunde nur zwei Gelbe Karten kassiert und da war kein grobes Foulspiel dabei! Deswegen finde ich solche Aussagen immer witzig. Aber so ist das eben.”
So ist das mit dem Namen Boateng und mit seinem Background, hätte er auch sagen können. Einige ehemalige Jugendnationalspieler aus dem Berliner Dunstkreis, allen voran sein Halbbruder Kevin-Prince, derzeit in Diensten des AC Milan, haben sich in den vergangenen Jahren ein paar Eskapaden geleistet, das färbte auch auf den eher besonnenen Jérôme ab. Gegenwirken kann nur, wer das Rampenlicht meidet und sportlich überzeugt. „Ich denke, dass ich mich im Gegensatz zur vergangenen Saison schon sehrverbessert habe”, sagt Boateng, gerade im Zweikampf übe er jetzt Zurückhaltung: „Letzte Saison habe ich noch öfter gegrätscht.” Bleibt nur abzuwarten, ob die Uefa das auch so sieht. Zwei Spiele Sperre sind wahrscheinlich, Boateng hofft auf Milde: „Ich hoffe, dass ich nur ein Spiel gesperrt werde und dann im Achtelfinal-Rückspiel wieder mitwirken kann.”