AZ-Kolumne von Jean-Marie Pfaff: "Schonungslose Analyse beim FC Bayern nötig"

München - Dem FC Bayern droht tatsächlich die erste Saison ohne Titel seit 2012. Natürlich besteht noch die Möglichkeit, dass der BVB im letzten Saisonspiel gegen Mainz patzt und Bayern mit einem Sieg in Köln doch noch die elfte Meisterschaft in Serie feiern kann.
Aber mal ganz ehrlich, wer glaubt wirklich daran, dass sich Dortmund das noch nehmen lässt? Zumal die Borussia aus Dortmund in den letzten Heimspielen stets überzeugt hat und die Gegner reihenweise aus dem Stadion geschossen hat.
Blackout des FC Bayern: Plötzlich ging gegen Leipzig gar nichts mehr
Ich war mir sicher, dass der FC Bayern gegen Leipzig gewinnt und damit als Tabellenführer in den letzten Spieltag geht. Ich kann mir heute immer noch nicht den Leistungsabfall der Mannschaft nach der Pause erklären. Man hatte den Gegner über weite Strecken der ersten Halbzeit im Griff, führte verdient. Und dann ging in der zweiten Halbzeit gar nichts mehr. Normalerweise sind die Münchner gerade in den entscheidenden Spielen am Saisonende, wenn es um die Titel geht, zu 100 Prozent da und liefern ihre beste Leistung ab.
Dass dies in diesem Jahr nicht so ist, muss die Verantwortlichen auf den Plan rufen. Man muss nach dieser Saison eine schonungslose Analyse machen, jeden Stein umdrehen und sich für das nächste Jahr neu aufstellen.
Der FC Bayern muss die Sommerpause nutzen
Auch personell, die Mannschaft braucht jetzt ein anderes Gesicht. Möglicherweise sind einige Spieler nach den Erfolgen der letzten Jahre auch einfach zu satt geworden. Trainer Thomas Tuchel wird die Sommerpause nutzen (müssen), um den Kader so zusammenzustellen, wie er ihn haben will, um dann in der neuen Saison mit einer hungrigen Mannschaft neu anzugreifen.
Ob es in der Führungsetage personelle Konsequenzen geben muss, kann ich nicht im Detail beurteilen. Ich habe mich aber schon vor einigen Wochen dafür ausgesprochen, Oliver Kahn weiter das Vertrauen zu schenken. Auch er wird seine Schlüsse aus diesem Jahr ziehen und sich entsprechend ändern.
Jean-Marie Pfaff: Oliver Kahn braucht beim FC Bayern Zeit
Man darf auch nicht vergessen, dass er auf diesem Posten eher noch ein "Frischling" ist, auch bei Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge hat nicht sofort alles auf Knopfdruck funktioniert. Auch die beiden brauchten ihre Zeit, um sich in dem Job zurechtzufinden.
Also: Gebt auch Oliver Kahn diese Zeit.
Euer Jean-Marie
Der jetzt 69-Jährige ist einer der besten Torhüter der Geschichte. Er war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 insgesamt 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, zudem drei Mal deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er nun als Kolumnist tätig.