AZ-Kolumne von Jean-Marie Pfaff: Die Torwart-Suche des FC Bayern ist "kein cleverer Schachzug"
München - Nachdem der Hype um die Verpflichtung von Harry Kane ein bisschen verflogen ist und der Saisonstart mit dem Auswärtsspiel am Freitag in Bremen bevorsteht, hat man das Gefühl, rund um die Säbener Straße ist das Chaos ausgebrochen.
Alles ausgelöst durch die 0:3-Pleite im Supercup gegen RB Leipzig, die den Münchnern die Feierlaune aber mal so richtig verdorben hat. Und schon tun sich wieder die bekannten Baustellen auf: Die Torwartfrage, die Diskussion um einen Sechser und dazu die gnadenlose Kritik von Trainer Thomas Tuchel nach dem Leipzig-Spiel.
Ein Sechser macht für den FC Bayern nur Sinn, wenn Goretzka oder Gravenberch wechseln
Im defensiven Mittelfeld kann der Coach auf Joshua Kimmich, Konrad Laimer und Leon Goretzka zurückgreifen, auch Ryan Gravenberch wäre eine Option. Alle vier können den defensiven Part ausfüllen.
Ein zusätzlicher Sechser würde nur Sinn machen, wenn Goretzka oder Gravenberch noch den Verein verlassen sollten. Viel wichtiger ist die Verpflichtung eines neuen Torwarts, denn es ist aktuell überhaupt nicht abzusehen, wann – und in welcher Form – Manuel Neuer nach seiner Verletzung zurückkommt.

Kommt Stefan Ortega zum FC Bayern? "Da hätte man Yann Sommer behalten können"
Jetzt soll es der ehemalige Sechzig-Profi Stefan Ortega werden, der derzeit bei Manchester City zweiter Torwart ist. Ortega ist ein solider Torhüter, hat in Manchester aber kaum Spielpraxis bekommen, bislang 15 Partien bestritten.
Ganz ehrlich, da hätte man Yann Sommer behalten können. Durch Sommers Wechsel zu Inter Mailand hat man das Torwartproblem erst so richtig groß gemacht. Das war kein cleverer Schachzug. Dennoch muss jetzt eine schnelle Lösung her. Auch David De Gea ist eine Option. Ein neuer Torwart sollte bis zum Saisonstart an Bord sein.
"Thomas Tuchel wirkt, als wüsste er nicht, wie er den FC Bayern in die Spur bringen soll"
Das Spiel in Bremen wird für die Münchner zu einer Standortbestimmung. Die Fans erwarten nach der Niederlage im Supercup eine Reaktion. Der Trainer hat es sich nicht einfacher gemacht mit seiner harschen Kritik an seiner Mannschaft nach dem Leipzig-Spiel. Kritik ist wichtig und muss sein, aber ob man öffentlich so draufhauen muss, wage ich zu bezweifeln.
Tuchel hätte dies intern äußern sollen, sein Rundumschlag erweckt den Eindruck, als wüsste er nicht, wie er die Mannschaft in die Spur bringen soll. Verlieren die Münchner auch zum Saisonstart in Bremen, dürfte Tuchel ganz früh in der Saison angezählt sein – und die nächsten Wochen trotz der Kane-Euphorie ungemütlich werden.
Euer Jean-Marie
Der 69-Jährige ist einer der besten Torhüter der Geschichte. Er war belgischer Nationaltorwart (64 Einsätze) und stand beim FC Bayern zwischen 1982 und 1988 insgesamt 156 Mal zwischen den Pfosten. Pfaff war Vizeeuropameister 1980, WM-Vierter 1986, zudem drei Mal deutscher Meister und zwei Mal Pokalsieger. 1987 war er Welttorhüter. Für die AZ ist er nun als Kolumnist tätig.