AZ-Analyse: Breite im Kader des FC Bayern nicht das Hauptproblem
München - Die jüngsten Ergebnisse der Bayern wie das peinliche Ausscheiden im DFB-Pokal bei Holstein Kiel sind vielen Experten nach die Folge des zu dünnen Kaders in dieser Saison. "Er ist in der Breite nicht so top aufgestellt, wie ich das von einer Mannschaft erwarte, deren Ziel auch vor dieser Saison das Triple war", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zuletzt bei "Sky" und führte insbesondere die Abwehr an: "Das sind für mich nicht alles Spieler, die Bayern-München-like sind."
Doch ist der Kader der Bayern wirklich nicht breit genug? Eine Analyse:
Tor: Neuer und Nübel - mehr Qualität geht kaum
Mit Welttorhüter Manuel Neuer haben die Münchner den wohl im Moment stärksten Keeper der Welt in den eigenen Reihen. Immer wieder vereitelt der 34-Jährige mit Glanzparaden Großchancen des Gegners. Auch wenn sich der deutsche Nationaltorhüter mal verletzen sollte, stünde mit Alexander Nübel ein Ersatztorwart mit mindestens Bundesliga-Format bereit.
Abwehr: Die Qualität stimmt, die Form nicht
Die Abwehr hat sich in dieser Saison als das Sorgenkind der Münchner herauskristallisiert. Mit 24 Gegentoren fällt Bayern im Vergleich zu den anderen Top-Mannschaften in der Liga deutlich ab.
In der Innenverteidigung stehen hinter den Stammspielern Jerome Boateng und David Alaba mit Niklas Süle und Lucas Hernández zwei starke Alternativen zu Verfügung. Auch Youngster Chris Richards hat gezeigt, dass er eine Alternative in der Abwehr sein kann.
Als Aushilfs-Rechtsverteidiger wurde Bouna Sarr im Sommer verpflichtet. Er hinterließ bisher zwar wenig Eindruck, bekam allerdings auch kaum die Möglichkeit dazu. Die Stammspieler Alphonso Davies und Benjamin Pavard laufen zwar der Form der vergangenen Saison hinterher, doch in der Verteidigung ist kein Qualitätsproblem per se auszumachen.
Mittelfeld: Die erste Reihe ist top - ein Neuzugang braucht noch Zeit
Joshua Kimmich ist der Spielgestalter und Antreiber auf der Sechs, daneben bzw. davor sind Leon Goretzka und Thomas Müller für Offensivpower aus dem Mittelfeld zuständig. Fällt einer der drei aus oder braucht eine Pause, hat man mit Corentin Tolisso einen vielseitig einsetzbaren Mittelfeld-Allrounder in der Hinterhand.
Etwas enttäuschend präsentiert sich dagegen Neuverpflichtung und Backup Marc Roca. In seinen wenigen Einsätzen wirkte der Spanier häufig überfordert. Auch der verschossene Elfmeter in Kiel wird seine Chancen auf Einsatzzeit nicht steigern. Hansi Flick fordert Geduld mit dem jungen Spanier.
Mit Jamal Musiala haben die Münchner zudem ein absolutes Juwel in der Hinterhand. Seine Einsätze gingen zuletzt zurück, Flick vertraute eher dem Stammpersonal.
Angriff:
Robert Lewandowski konnte seine Form aus dem Weltfußballer-Jahr 2020 konservieren und trifft in der Bundesliga weiter wie es ihm beliebt. Hier wollte man mit Neuzugang Eric Maxim Choupo-Moting für Abhilfe sorgen, falls der Pole aussetzen würde. Dieser Plan geht zum Teil auch auf. In 384 Minuten Spielzeit kommt Choupo-Moting auf drei Tore und eine Vorlage in allen drei Wettbewerben.
Auf den Flügeln hat man mit Kingsley Coman, Serge Gnabry und dem zuletzt immer stärker werdenden Leroy Sané drei nahezu identische Spieler. Sind alle fit und in Form, steht Flick vor der Qual der Wahl. Rückkehrer Douglas Costa fällt dahinter etwas ab, bislang konnte er noch nicht überzeugen. Dennoch handelt es sich hier um den vierten nominellen Flügelspieler - ein Luxus, von dem viele Mannschaften träumen.
Kader ist ausreichend besetzt - doch muss effektiver eingesetzt werden
Es sind durchaus Qualitätsunterschiede zwischen Stammformation und Rotationspielern festzustellen. Eine wirkliche Schwachstelle ist jedoch nicht auszumachen. Durch die hohe Qualität der Stammspieler wäre es finanziell nicht machbar, für jede Position einen gleichwertigen Ersatz zu finden.
Vor allem Flexibilität zieht sich durch alle Mannschaftsteile - diese wird aber zu selten ausgenutzt. Spieler wie Alaba, Pavard, Hernández, Davies, Richards oder Musiala können auf vielen Positionen eingesetzt werden. Mit dem strikten Festhalten an der 4-2-3-1-Formation beraubt sich das Münchner Trainer-Team allerdings einer Vielzahl an Alternativen.
Einzig beim sportlich irrelevanten Auswärtsspiel bei Atletico Madrid setzte Flick auf ein abweichendes System. Damals bot er mit drei Innenverteidigern und zwei Außenverteidigern als Schienenspieler eine durchaus interessante Alternative auf, am Ende stand trotz großer Rotation ein sehr respektables 1:1.
Auch den unregelmäßigen Einsatz seiner Rotationsspieler muss sich Flick ankreiden lassen. "Wir sind sehr gut besetzt, haben viele Optionen", sagte er zwar, doch seinen Worten folgen nur wenig Taten. Die Youngster um Richards und Musiala zeigten mehrmals, dass sie mehr Vertrauen von Flick verdient hätten.
So kann man durchaus über die Zusammenstellung des Kaders und wie dieser zu Flick passt, diskutieren. Die Qualität des Kaders ist allerdings auch in der Breite unbestritten. Wollen die Bayern eine ähnlich erfolgreiche Saison spielen wie vergangenes Jahr, muss Flick erneut einen Weg finden, den vorhandenen Kader optimal einzusetzen.