Axel Kahn im AZ-Interview: "Das Kahn-Gen bedeutet: Es geht nur mit absoluter Willenskraft"

AZ-Interview mit Axel Kahn: Der 57-Jährige war einst Fußballprofi beim Karlsruher SC und kandidierte 2020 als Präsident. Heute ist er als Unternehmer und Netzwerker tätig.
AZ: Herr Kahn, lassen Sie uns zunächst über Ihr Buch sprechen. "Das Kahn-Gen" – was ist das eigentlich genau?
AXEL KAHN: Das Kahn-Gen bedeutet unbedingter Wille, die Dinge erfolgreich zu gestalten – ob nun im Fußball oder im Geschäftsleben. "Weiter, immer weiter" – diesen Spruch hat mein Bruder in die Fußballwelt hinausgetragen und ich in die Business-Welt. Oliver und ich waren schon als Kinder unfassbar fokussiert und wollten mit allem, was wir hatten, Profifußballer werden. Das haben wir geschafft – und mein Bruder hat diese Karriere vergoldet. Egal, welches Ziel man hat: Es geht nur mit absoluter Willenskraft. Man sollte nie aufgeben, an sich glauben und durchziehen. Das Kahn-Gen hat es in sich!

"Unser Leben bestand in der Kindheit fast nur aus Sport"
Wer hat Ihnen und Ihrem Bruder Oliver Kahn, dem Titan, dem Vorstandsboss des FC Bayern, diese Einstellung vermittelt?
Darüber haben Oliver und ich immer mal wieder gesprochen und gegrübelt. Wir wissen nicht genau, von wem wir es haben. In unserer Familienhistorie haben wir nichts gefunden (lacht). Es kommt aber mit Sicherheit sehr viel vom Vater, er war auch Fußballprofi. Unser Leben bestand in der Kindheit fast nur aus Sport, wir haben selbst gekickt oder unser Vater hat uns zu Spielen mitgenommen. Diese Zeit hat uns geprägt: Du lernst im Fußball Disziplin, Teamgeist, ganz einfach Werte, die du später gut gebrauchen kannst im Leben sowie im Berufsleben. Ich denke, diese Werte würden dem einen oder anderen jungen Spieler heutzutage guttun.
Wie meinen Sie das?
Die jungen Spieler verdienen Unsummen. Der Umgang damit ist nicht einfach und dient nicht dazu, eine große Karriere zu machen. Ich habe oft das Gefühl, dass Spieler den Fußball als Erlebnispark sehen. Jeder hat seine Befindlichkeiten. Echte Identifikation findet kaum noch statt. Wenn es nicht läuft, gehe ich woanders hin, und Instagram scheint wichtiger zu sein, als der Erfolg mit einem Verein und der Mannschaft. Das ist keine gute Entwicklung. Es ist schwer geworden für die Vereine, auf lange Sicht zu planen. Das Fußball-Business hat sich rasant entwickelt, und es hat eine eklatante Werteverschiebung begonnen. Hier gilt es, entgegenzuwirken.
Umso wichtiger ist es, dass diese jungen Spieler Vorbilder haben, die ihnen Werte vermitteln.
Das stimmt. Ich habe das große Glück und Verständnis, heute Mentor zu sein für junge Menschen. Das ist eine tolle Verantwortung in meinem Alter, mein Wissen, meine Erfahrungen und meine Werte weiterzugeben. Es gibt andere Sichtweisen, manche Menschen wollen ihre Expertise lieber für sich behalten, das ist auch legitim. Ich gehe aber einen anderen Weg.
"Die DNA ist Fußball, das kann ich nicht leugnen"
Sind Sie inzwischen mehr Geschäftsmann – oder doch noch mehr der Fußballer von einst?
Das ist schwierig zu beantworten. Die DNA ist Fußball, das kann ich nicht leugnen. Ich hatte mich mal für einige Jahre komplett aus dem Fußball zurückgezogen, alle Anfragen für Interviews abgelehnt. Ich habe mich voll auf das Unternehmertum konzentriert, was mir auch gut gelungen ist. Leider habe ich da so einen Bruder, der meinte, ins große Fußballgeschäft beim FC Bayern zurückkehren zu müssen. (lacht)
Waren Sie überrascht, als Oliver 2020 in den Vorstand des FC Bayern rückte?
Nein, wir hatten das vorab immer wieder diskutiert. Die Frage war ja für mich: Würde es ihm guttun? Ich habe ihn das auch gefragt: Willst du dir diesen Stress wirklich wieder antun? Oliver war als Spieler fast 20 Jahre öffentlich und medial omnipräsent. Dann wieder solch ein öffentliches Amt zu übernehmen, birgt Risiken. Für eine Persönlichkeit von Olivers Größe war es in den Jahren zuvor auch einfach mal schön, Ruhe zu haben. Ruhe ist übrigens das Zauberwort für mich und auch für Oliver. Heute ruhen wir mehr in uns und können Entscheidungen noch gezielter und erfolgsorientierter treffen.

Inwiefern?
Es ist so viel passiert in den vergangenen 30 Jahren, darüber könnte man Buchbände schreiben. Ich bin heute sehr gerne allein und habe meine Ruhe, weil unser Leben gerade durch Olivers Position sehr schnelllebig war. Oliver hat sich nach der Karriere als Profi Rückzugsorte gesucht, was positiv für ihn war. Aber wer ihn kennt, weiß, dass Erfolg sein Antrieb ist, das macht ihm Spaß, das braucht er. Und der Verein, der FC Bayern, ist sein Herzblut.
"Bayern hat Oliver sehr viel gegeben"
Gemeinsam mit dem KSC?
Genau. Da hat alles begonnen. Der KSC ist die Entstehungsgeschichte, der FC Bayern die Krönung. Bayern hat Oliver sehr viel gegeben, umgekehrt hat Oliver dem FC Bayern sehr viel gegeben mit seiner Art und Weise, Dinge zu bewegen.
Sie sind nicht nur Buchautor, sondern auch Dozent, Inhaber einer Werbeagentur, Moderator Ihrer TV-Talk-Show "Der helle Kahnsinn" und Gründer der Networking-Plattform "Pixx Lounge". Sind Sie zufrieden damit, wo Sie gerade im Leben stehen?
Jeder Mensch braucht eine gewisse Zeit zur Selbstfindung. Mein Thema war viele Jahre: Wie stelle ich mich als eigene Marke, als Axel Kahn, neben meinen Bruder, dem Titan auf? Das ist nicht ganz so einfach gewesen. Das habe ich dann aber geschafft, und mir als Netzwerker und Unternehmer einen Namen machen können, eine eigene Identität aufgebaut. Meine Unternehmer-Plattform, die Pixx Lounge hat mir dabei enorm geholfen. Vor der Corona-Pandemie hatten wir Events in ganz Deutschland, in der Schweiz, auf Mallorca. Derzeit findet die Pixx Lounge in München statt. Generell kann ich sagen, dass ich die vergangenen 30 Jahre meines Lebens prall gefüllt hatte. München ist für mich der ideale Ort für mein Business, hier hast du alles: Wirtschaft, Industrie, Technologie, Lifestyle, Luxus, Medien. Der Umzug hierher war ein großer Multiplikator für mein Netzwerk.
"Wer den FC Bayern kennt, weiß, dass ein angeschossener Tiger gefährlich sein kann"
Zugleich können Sie die Heimspiele des FC Bayern besuchen, Sie tauschen sich oft mit Ihrem Bruder aus, zählen zu seinen Vertrauenspersonen. Wie schätzen Sie die Lage vor dem Pokal-Achtelfinale in Mainz ein? In der Liga gab es nur drei Remis.
Natürlich ist die Situation nicht gut für einen Topklub wie Bayern. Ich denke, dass die WM eine entscheidende Rolle gespielt hat. Bayern hatte die meisten Ausfälle zu verkraften, sodass es schwer war, den Rhythmus zu finden. Vielleicht war auch die zu kurze Vorbereitung von zweieinhalb Wochen mit nur einem Testspiel zu wenig. Es sind viele Faktoren, die das Team aktuell nicht sehr souverän aussehen lassen, im Gegensatz zur Zeit vor der WM. Aber wer den FC Bayern kennt, weiß, dass ein angeschossener Tiger gefährlich sein kann.
Es gibt auch im Umfeld des FC Bayern Unruhe: Serge Gnabrys Paris-Trip, Toni Tapalovics Freistellung, Manuel Neuers Skiunfall: Denken Sie, dass Neuer in alter Stärke zurückkehrt?
Was ich wirklich verwerflich finde, ist, dass man Neuer jetzt so in den Senkel stellt für diese Verletzung. Es war ein Fehler, das weiß er selbst am besten. Aber Neuer hat als Vorzeigetorhüter unheimlich viel geleistet für den FC Bayern und die Nationalmannschaft – ähnlich wie mein Bruder. Man sollte jetzt nicht versuchen, das zu zerstören. Klar ist: Es wird nicht einfach für Neuer. Er hatte in den vergangenen fünf Jahren immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und hat jetzt ein gewisses Alter. Aber Neuer wird versuchen, zurückzukommen und es allen zu zeigen. Da bin ich mir sicher.
"Erfahrenen Trainern wäre eine solche Äußerung wahrscheinlich nicht passiert"
Wie erleben Sie Trainer Julian Nagelsmann aktuell – speziell seine öffentlichen Auftritte?
Ich fand es problematisch, dass er kürzlich Neuer die Rückkehr als Nummer eins versprochen hat, obwohl Bayern vor ein paar Tagen gerade Yann Sommer geholt hat. Das ist unklug gewesen. Das ist Unerfahrenheit. Erfahrenen Trainern wäre eine solche Äußerung wahrscheinlich nicht passiert. Er befindet sich immer noch in einem Lernprozess, bei einem der größten und erfolgreichsten Vereine der Welt das Traineramt nicht nur auszuführen, sondern auch die Surroundings zu managen. Er ist als Fußball-Lehrer ganz sicher unter den besten drei internationalen Coaches.
Aus unternehmerischer Sicht: Wie kann der FC Bayern in Europa mithalten, während andere Klubs dank Investoren mit Geld nur so um sich werfen?
Der FC Bayern geht beim Umsatz in den nächsten Jahren auf eine Milliarde Euro zu, der Klub agiert also auf absolutem Spitzenniveau. Dazu kommt das sportliche und wirtschaftliche Know-how in der Führungsetage, das andere Topklubs nicht haben. Ich glaube daher nicht, dass der FC Bayern in Zukunft mit Gewalt 100 bis 200 oder noch mehr Millionen Euro für einen Spieler bezahlen wird. Der Klub hat es immer geschafft, mit anderen Möglichkeiten auf Augenhöhe mit Real Madrid, dem FC Barcelona oder Manchester City zu sein. Die ganz verrückten Sachen wird Bayern nicht mitmachen. Und Geld ist nicht gleich sportlicher Erfolg, siehe Paris.