Auswechslung nach 27 Minuten: Risikofaktor Vidal

München - Der Krieger musste vom Schlachtfeld. Seiner Waffen beraubt trottete er von dannen. Arturo Vidal war gekränkt, beleidigt, außen vor. Mitten im Gefecht ordnete sein Feldherr den geordneten Rückzug an. Vidal vermied Blick- und Körperkontakt zu Pep Guardiola und schlich hinter der Trainerbank vorbei. Wie ein geprügelter Krieger.
27 Minuten erst waren gespielt und der Mittelfeldspieler des FC Bayern wurde zu seinem Selbstschutz in Stuttgart vom Platz genommen. Zu aggressiv, zu wild hatte Vidal seine Rolle als "aggressive leader" interpretiert. Der Mann war entflammt und daher Gelb-Rot-gefährdet. Mit zehn Mann wollte Guardiola sein Team die verbleibenden mehr als 60 Minuten nicht sehen, das Sicherheitsrisiko Vidal musste eliminiert werden. Schiedsrichter Bastian Dankert sprach nach der bereits erteilten Gelben Karte eine letzte Warnung aus, und Vidal selbst hörte auch nicht auf zu kommentieren, zu lamentieren. Xabi Alonso machte ihm per Gestik klar, er solle seinen Kopf einschalten. Doch Vidal stand zu sehr unter Strom, das Adrenalin war sein Antrieb – unkontrollierbar. Daher reichte es dann Guardiola. Er verordnete Thomas Müller, der zur Schonung auf der Bank saß, einen Kaltstart.
"Habe gleich gemerkt, dass mir die nächste Karte drohte"
Kein Blick, kein Wort. Auch nicht in der Halbzeitpause. Guardiola ignorierte den Sünder, strafte ihn zunächst mit Nicht-Beachtung. Philipp Lahm, ebenfalls wegen des Rückspiels am Mittwoch bei Benfica Lissabon auf der Bank, schnappte sich Vidal und flüsterte ihm tröstende Worte ins Ohr. "Arturo muss sich darüber keine Gedanken machen, er ist ein wichtiger Spieler für uns", erklärte der Kapitän nach dem 3:1 der Bayern, "er geht zu 100 Prozent in die Zweikämpfe und da kann so etwas schon mal sein. Er versteht es auch, warum ihn der Trainer heruntergeholt hat. So etwas passiert im Fußball. Ich sehe da kein Problem." Dank des Sieges legte sich auch der Groll von Vidal. Später gab der 28-Jährige zu, was auf dem Platz gänzlich anders wirkte: "Ich habe gleich gemerkt, dass mir die nächste Karte drohte."
Und auch der Trainer klang versöhnlich. "Er hat nicht schlecht gespielt, aber zur Gelben Karte und der schlechten Stimmung im Stadion habe ich gemerkt, dass wir einen Spieler mehr offensiv nach vorne brauchen. Deswegen habe ich gewechselt." Dank Müller hatten die Bayern eine bessere Ordnung auf dem Platz, eine weitere Anspielstation mehr in der Offensive. Der Krieger kühlte ab, war nicht mehr im Attacke-Modus.
Mittwoch soll er Benfica das Fürchten lehren
Bayerns Bester der letzten Wochen, der Kollegen-Antreiber, Gegenspieler-Vertreiber und Publikums-Anheizer, ist in Top-Form. Er wirkt bereit für die entscheidenden Schlachten der Saison. Doch gefährlich soll der Mann mit dem Irokesenschnitt, einst als Kampffrisur von Indianerstämmen und Soldaten getragen, bitteschön nur für die Gegner werden – und nicht für die eigene Mannschaft. „Arturo sieht extrem aus, ist aber ein ganz Lieber“, meinte Sportdirektor Matthias Sammer. An anderer Stelle wiederholte er: „Er sieht gefährlicher aus, als er ist.“ Fehlte nur noch, dass Herrchen Matthias sagte: „Nein, er macht nicht fass!“ Denn: „Arturo ist ein ganz liebenswerter Mensch. Er wollte nicht raus, er will immer spielen. Ich habe in der Halbzeit mit ihm geredet. Er weiß, dass es die richtige Konstellation war.“
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Am Mittwoch soll er Benfica das Fürchten lehren, die Bayern ins Halbfinale der Champions League führen. Doch Vidal, der wohl wieder Xabi Alonso auf der zentralen Sechserposition ersetzen wird, hat ein Handicap: Ihm droht bei Weiterkommen eine Sperre für das Halbfinal-Hinspiel. Wie auch Juan Bernat, Joshua Kimmich und Robert Lewandowski. Mal sehen, wer sich am besten im Griff hat. "Natürlich war er zunächst enttäuscht, aber am Ende ist alles gut", meinte Thomas Müller in Stuttgart, "der Arturo lässt sich davon nicht unterkriegen." Wäre ja gelacht, die Zähne fletschend.