Augenthaler: "Die Jungs brauchen Zeit"

Der Weltmeister von 1990, Klaus Augenthaler, spricht im Interview über den Rückweg der Spieler in den Verein nach der gewonnenen Weltmeisterschaft. Die Gefahr, in ein Loch zu fallen, lauert.
von  Rainer Nachtwey / Sport
Hatte nach dem WM-Titel Spaß sich im Verein zu präsentieren: Klaus Augenthaler
Hatte nach dem WM-Titel Spaß sich im Verein zu präsentieren: Klaus Augenthaler © dpa / imago

Der Weltmeister von 1990, Klaus Augenthaler, spricht im Interview über den Rückweg der Spieler in den Verein nach der gewonnenen Weltmeisterschaft. Die Gefahr, in ein Loch zu fallen, lauert.

Herr Augenthaler, wie schwer ist es, nach dem WM-Titel und dem verdienten Urlaub wieder ins Training einzusteigen?

Das ist eine Einstellungssache. Das legt sich auch schnell, wenn man nach ein paar Tagen wieder drin ist. Sie sind alle Fußballer genug, um wieder gierig zu sein. Wichtig ist, dass die Jungs jetzt erst einmal Urlaub haben.

Was waren Ihre Erfahrungen?

Mir ist es leichtgefallen. Wenn man mit so einem Erfolg zurückkommt. Man hat wieder Spaß, sich zu präsentieren. Ich glaube nicht, dass einer dabei ist, dem es schwerfallen wird.

Was sollten die Spieler in der Zeit nach dem Titelgewinn bis zum ersten Training machen?

Die Jungs brauchen Zeit. Sie müssen auch erst einmal realisieren, was sie da erreicht haben. Es wird nicht viele geben, die das vielleicht noch einmal erreichen. Dem müssen sie sich auch erst bewusst werden.

Können sich die Spieler auch körperlich in den drei Wochen ausreichend erholen?

Ja, das sollte schon reichen.

Wie heiß ist man als Spieler auf die ersten Partien?

Die Spieler des FC Bayern, die jetzt den WM-Titel geholt haben, sind sowieso erfolgsverwöhnt. Die müssen und werden auch erfolgshungrig bleiben. Bei jedem Spiel. Sie müssen jetzt die Weltmeisterschaft abhaken, sprich sie müssen sich jetzt wieder auf den Alltagsjob konzentrieren. Und der heißt jeden Tag Training.

In die Saison 1990/1991 starteten Sie mit Bayern mit zwei Unentschieden (1:1 gegen Leverkusen, 0:0 gegen St. Pauli) in die Saison. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass die Bayern dieses Jahr einen Fehlstart hinlegen?

Ich wusste gar nicht mehr, dass wir mit zwei Unentschieden gestartet sind. Aber ich glaube nicht, dass das etwas mit der WM zu tun hatte. Ich glaube auch nicht, dass das diesmal der Fall sein wird.

Was erwarten Sie von den Bayern in den ersten Spielen?

Ich glaube, dass die Spieler, die jetzt das WM-Finale oder viel gespielt haben, recht schnell zu ihrer Form wieder zurückfinden werden. Die anderen wie ein Dante, der nur ein Spiel absolviert hat (das 1:7 Brasiliens gegen Deutschland, Anm. d. Red.), der wird noch heißer sein, dass es wieder los geht. Vor allem nach so einen Spiel. Ich kann mich erinnern: 1986 habe ich mich im zweiten Spiel verletzt, habe dann nicht mehr gespielt und war froh, als ich wieder zu Hause war und die Bundesliga wieder losging.

Wann fällt man in ein Loch? Wie war es bei Ihnen?

Ich bin damals so im Oktober in ein Loch gefallen – ich weiß aber nicht, ob das mit dem Alter zu tun hatte. Ich war ja damals schon 34. Da ist es mir immer schwerer gefallen. Am Anfang ging es noch. Es kann sein, dass so ein Loch kommt, aber die Bayern haben jetzt einen breiten Kader, so dass der Trainer den einen oder anderen dann schonen kann.

Welche Tipps können Sie den Spielern geben?

Da brauche ich ihnen keinen Tipp geben. Das macht schon die Vereinsführung. Die wird schon darauf achten. Pep Guardiola sieht seine Spieler jeden Tag im Training, wird viel mit ihnen sprechen, reinhören, ob sich einer mal müde fühlt, und dann mal hier und da mehr frei geben. Das gab es bei uns damals unter Jupp Heynckes auch. Sogar mal zwei freie Tage.

Lesen Sie hier: Bayern-Trainer Pep Guardiola: "Lasse keine Ausreden gelten"

Wie sind Sie als Trainer nach großen Turnieren wie der Heim-WM 2006 mit ihren Spielern umgegangen?

Man muss wirklich genau darauf achten, ob die Spieler platt sind oder schneller ermüden, viel mit ihnen reden. Dann gibt man ihnen mal einen Tag oder eine Trainingseinheit frei, wenn man zweimal am Tag trainiert. Viel Pflege, Behandlungen, Massagen helfen dabei sehr.

Wie wichtig sind Einzelgespräche, auf die Spieler eingehen?

Sehr wichtig. Man muss genau über die Situation der jeweiligen Spieler Bescheid wissen. Aber das wird sowieso gemacht.

Karl-Heinz Rummenigge hatte sich für einen späteren Saisonstart ausgesprochen. Andere Klubs haben sich dagegen ausgesprochen. Rummenigge begründete es damit, dass das der Versuch wäre, so die Bayern zu stoppen?

Lacht: Ja klar, das war bei uns auch der Fall. Wenn man fünf, sechs Spieler immer wieder abstellt, dann wäre es schon sinnvoll, wenn die Saison später losgeht. Aber deswegen sind wir 1990 auch Meister geworden.

Pep Guardiola hat kürzlich gesagt: "Wenn ich keinen Titel hole, dann sitzt nächstes Jahr wahrscheinlich ein anderer Trainer hier". Teilen Sie diese Aussage?

Nein, das kann ich nicht teilen. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

Könen Sie sich nicht vorstellen, dass die Bayern keinen Titel holen, oder dass nächstes Jahr ein anderer Bayern trainieren wird?

Beides, (lacht), beides.

Das heißt, Meister wird wieder der FC Bayern?

Die Dortmunder werden schon versuchen, den Bayern den Titel streitig zu machen. Ich glaube auch nicht, sollte Bayern wieder Meister werden, dass sie das wieder mit so einem großen Punktevorsprung und so früh schaffen. Für die Bundesliga ist es eh interessanter, wenn sie nicht so früh als Meister feststehen. Und für die Mannschaft ist es auch besser, wenn sie in der Champions League lange dabei sind, damit sie die Spannung hoch halten können.

 

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