Auftakt in der Champions League: Van Gaal bremst die Euphorie

TEL AVIV - Frieden mit Ribéry und Stärkung des Torwarts: Fünf Monate nach der Schmach von Barcelona träumen die Bayern wieder vom Henkelpott. Der Trainer jedoch warnt vor allzugroßen Erwartungen und nennt den Titelgewinn in dieser Saison "Utopie".
Es ist der letzte Eindruck, der hängen bleibt, sagt man. Und das war in der Champions League der vergangenen Saison ein passables 1:1 gegen den FC Barcelona, Torschütze Ribéry. Dummerweise war es das Rückspiel, im Hinspiel waren die Bayern lächerlich gemacht worden. 0:4, bis zur Pause – und nur bis zu diesem Spielstand hatte Barca wirklich Ernst gemacht.
Aus der Versager-Elf von April werden beim ersten Auswärtsspiel der neuen Saison am Dienstag in Tel Aviv gegen Maccabi Haifa (20.45 Uhr) nur drei Spieler von Beginn an dabei sein: Butt, Schweinsteiger und Altintop - falls nicht Müller spielt. Die Bayern haben sich runderneuert nur fünf Monate später. Ein neuer Cheftrainer, neue Assistenten, mehr als eine Handvoll neuer Spieler, eine neue Philosophie, eine neues System - und die alten Ziele. Wieder auf sich aufmerksam machen in Europa, möglichst lange dabeibleiben, wenn es im Frühjahr ernst wird. Die Top 4 sind das Ziel. „Zunächst ist das Überstehen der Gruppenphase das Mindestziel, wir streben das Viertelfinale wie in der vergangenen Saison an", sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge, „es wäre aber schön, wenn wir einmal wieder das Halbfinale erreichen könnten, das haben wir lange schon lange nicht mehr geschafft." 2001 war das zuletzt der Fall, im Jahr des Triumphes.
Nun wollen die Bayern mit dem neuen Coach Louis van Gaal den erneuten Angriff starten. Mit einem Trainer, der die Trophäe bereits 1995 mit Ajax Amsterdam gewonnen hatte. Ein Mann also, der weiß, wie es geht. Doch van Gaal glaubt nicht an einen Erfolg in dieser Saison, er hat das Ziel eher langfristig angesetzt: „Dazu brauche ich mehr als diese zwei Jahre. Die Champions League ist das langfristige Ziel, möglichweise eine Utopie, die vielleicht erst nach meiner Zeit Wirklichkeit wird. Es gibt drei, vier Klubs in Europa, die im Moment ncoh einen Tick besser sind als wir. Aber wir wollen und müssen beweisen, dass wir auf Augenhöhe mit den Besten sind." Und was, wenn er über 2011 hinaus verlängert? „Vielleicht schaffen wir es hier, am Ende der Periode van Gaal die Champions League zu gewinnen." Worauf es schon beim diesjährigen Anlauf in Oranje ankommt:
Langzeit-Frieden mit Ribéry: Am Samstag beim 5:1 in Dortmund hatte der eingewechselte Franzose mit einem genialen Freistoß geglänzt und war danach van Gaal in die Arme gesprungen. Wichtig aber wird sein, dass der Friede von Dortmund die ganze Saison über hält, nicht nur kurzfristiger Natur ist. Dafür aber, Küsschen hin oder her, braucht Ribéry einen Stammplatz.
Stabilisierung der Abwehr: Mit dem Verkauf von Lucio habe der FC Bayern eine Fehler gemacht, sagte Präsident Franz Beckenbauer. In Abwesenheit des verletzten Demichelis gibt van Buyten den Abwehrchef, an seiner Seite Talent Badstuber - doch ist diese Defensive wirklich Champions-League-tauglich?
Stärkung des Torwarts: Butt hat Rensing wie vor dem Barcelona-Hinspiel ablösen dürfen, ist die neue Nummer eins. Doch der 35-Jährige traut dem Frieden offenbar nicht, er müsse sich immer wieder beweisen. Und wie schmeckt es Butt, wenn sich die Bayern ab Winter intensiv um Schalkes Manuel Neuer bemühen?
Ruhestellung der Frustrierten: Für die Reise nach Tel Aviv hat sich Miroslav Klose wegen fehlender Fitness selbst rausgenommen, Luca Toni macht noch Aufbautraining. Doch was ist, wenn alle Spieler zur Verfügung stehen und in die Startelf wollen? Dann liegt es am Coach, durch Rotation und Feingefühl, alle zufrieden zu stellen - so wie früher Hitzfeld. Dem Trainer, der den Henkelpott 2001 gewann und 1999 im Finale war.
Patrick Strasser