Auf dem Rüttelsieb

Trainer Felix Magath, einst als Meistermacher in Wolfsburg kultig verehrt, verspielt derzeit Kredit – mit seltsamen Transfers, Sturheit und Zynismus.
von  Frank Hellmann

Felix Magath lebt angeblich gerne in Wolfsburg. So hat der 58-Jährige vor dem Gastspiel am Samstag beim FC Bayern sein Gesicht auch für ein Fotoshooting zum Projekt „Erlebnisregion 2020“ zur Verfügung gestellt. Dabei werden niedersächsische Landkreise und Städte mit prägnanten Persönlichkeiten beworben. Doch irgendwie erscheint schwer vorstellbar, dass Magath im Jahre 2020 immer noch den Trainer, Manager und Geschäftsführer des VfL Wolfsburg gibt. Denn vom kultig veehrten Allesmacher hat sich der einstige Bayern-Trainer zum eher belächelten Alleskäufer entwickelt. die Kritikpunkte häufen sich:

Seine Personalpolitik: Magath ist der König der (undurchsichtigen) Transfers. Heuern und feuern. „Magath wirft halt gerne 40 Profis auf ein Rüttelsieb und schaut, wer danach noch übrig bleibt“, sagt ein Bundesliga-Manager. Seit 2007 hat der Tausendsassa 81 Profis gekauft und 77 verkauft. In Wolfsburg sind es in Sommer und Winter schon wieder 21 Neuverpflichtungen. Negative Transferbilanz: rund 40 Millionen. Seine Verpflichtungen erzeugen oft nur Stirnrunzeln. Keiner seiner acht Winter-Transfers kennt die Bundesliga oder spricht Deutsch. Ausnahme: Der acht Millionen teure Schweizer Linksverteidiger Ricardo Rodriguez, der vom FC Zürich kam.

Seine Menschführung: Magath ist dafür bekannt, die Profis auf seinem Weg nicht mitzunehmen. Einfühlsame Einzelgespräche, vertrauensvolle Kommunikation sind im Erziehungskonzept nicht vorgesehen. Seine Arbeitsweise fußt auf Druck. „Für die Spieler“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge einmal, „war Magath ein Kulturschock.“ Diese Woche hat Schalkes Profi Hans Sarpei geklagt: „Es war schwer mit ihm zu arbeiten, weil er kaum geredet hat.“

Sein Auftreten: Früher wirkte der Aschaffenburger charmanter, eloquenter und offener. Mittlerweile missfällt ihm die Kritik an seinem Kurs. Zynismus prägt seine Aussagen. „Junge deutsche Spieler können wir uns nicht leisten“, erklärte er unlängst. Hat Magath schon vergessen, dass er neun Millionen für den Stuttgarter Christian Träsch (24), je drei Millionen Euro für die Frankfurter Patrick Ochs (27) und Marco Russ (26) ausgab? Er wirkt oft verbissen. Vielleicht, weil die Familie weiter in München weilt? Daher erfreut ihn dieser Nebenaspekt der nächsten Dienstreise: „Ich kann am Samstagabend meine Kinder und Frau wiedersehen.“

Sein Standing: Seine Titel mit Bayern und Wolfsburg kann ihm niemand nehmen, doch wenn das Image leidet, gerät der Anteilseigner der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, die Volkswagen AG, in Alarmstimmung. Sein Freund, VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, eilte zum Trainingsauftakt herbei, um ihm den Rücken zu stärken. Im Vereinsmagazin haben Wolfsburgs Bürgermeister Klaus Mohrs und VfL-Aufsichtsratschef Francisco Garcia Sanz Partei für ihn ergriffen. Sanz sagte: „Mit der gleichen Summe Geldes, mit der Magath jetzt acht neue Spieler geholt hat, bezahlen andere Vereine einen einzigen.“ Die heißen dann aber auch Robben, Ribéry oder Gomez und nicht Sissoko, Sio oder Hasani.

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