Auch Klinsmanns Macht hat Grenzen

München - Gibt es Manager Uli Hoeneß noch beim FC Bayern? Die Antwort ist ja, aber... Hier lesen Sie, wie der Vorstand in den Zeiten des neuen Trainers mitspielt.
Uli Hoeneß ist kein erwiesener Freund des Internets. Klar, er hält sich über Aktienkurse auf dem Laufenden. Aber im Netz die Sportseiten internationaler Zeitungen anzuklicken, gehört nicht zu seinen Hobbys. Das ist vielleicht auch gut so. Er könnte sich unterrepräsentiert fühlen.
In Italien etwa berichtet die „Gazzetta dello Sport“ über: „Klinsmann, Buddha und Vollzeit“. In der „Japan Times“ ist von „radikalen Veränderungen“ beim FC Bayern die Rede, und die englische „Sun“ klärt ihre Online-Leser darüber auf, dass Jürgen Klinsmann höchstselbst einem Wechsel von Lukas Podolski zu Tottenham eine Absage erteilt habe. Von Hoeneß, dem Bayern-Manager, ist da nicht die Rede.
Fast scheint es, als hätte der Trainer Klinsmann, seit knapp drei Wochen im Amt, den neuen FC Bayern allein erschaffen. Als hätte er persönlich die sauschweren Stein-Buddhas im Sperrgepäck aus Kalifornien importiert und auf die Sonnenterrasse an der Säbener Straße gehievt.
Hoeneß ist seit 1979 im Amt, der FC Bayern ist so etwas wie sein Baby. Aber öffentlich wahrgenommen wurde er zuletzt oft nur, wenn er am Trainingsplatz auf einer der neuen Couches saß – als stiller Beobachter von Klinsmanns Training. Und sein Vorstandskollege Karl-Heinz Rummenigge, seit 2002 im Amt, hat als Chef der ECA (Interessenvertretung der europäischen Vereine) ein weitläufiges, neues Betätigungsfeld gefunden. Ist das stets lächelnde Antlitz Klinsmanns also das neue Gesicht des FC Bayern? Hat dieser Trainer, dem scheinbar jeder Wunsch erfüllt wird, die Allmacht übernommen an der Säbener Straße?
Immerhin: Zart, aber deutlich kommen Hinweise, dass auch Klinsmanns Macht Grenzen hat. Dass Uli & Kalle noch die Chefs im Ring sind – wenn sie es denn wollen. Das belegen etwa diese drei Vorgänge.
Das Comeback von Kahn und Scholl. Die Ex-Profis sollen Berater des Klubs werden. So will es Rummenigge. Der „Sport-Bild“ sagte der Klubchef: „Ich möchte, dass nicht nur Gerd Müller, sondern auch Oliver Kahn und Mehmet Scholl mit uns auf Reisen gehen. Ich möchte, dass die Spieler eng am Klub bleiben.“
Die beiden sollen dem Vorstand Impulse liefern. Ausgerechnet sie? Scholl galt nie als Klinsi-Freund. Sondern als derjenige, der dem damaligen Mitspieler Klinsmann den uncharmanten Spitznamen „Flipper“ verpasst hat. Und Kahn? Den hat der Bundestrainer Klinsmann vor der WM 2006 ausgebootet. Rummenigge sagt, die beiden hätten „wieder ein gutes Verhältnis“. Ob Kahn für Klinsmann die erste Wahl als Vorstands-Flüsterer gewesen wäre, darf bezweifelt werden.
Die Japan-Reise. Vom 29. Juli bis 1. August fliegen die Bayern nach Fernost. Das ist gut fürs Image und die Klubkasse. Und schlecht für die Saisonvorbereitung, die Klinsmann verantwortet. Was kann der zwei Wochen vor dem Bundesliga-Start tun, wenn seine Spieler einen Jetlag haben und dicke Beine vom langen Flug? Das wünscht sich ein Trainer gewiss anders.
Die Absage an Hleb. Der Ex-Stuttgarter Aliaksandr Hleb wäre gern von Arsenal zu Bayern gewechselt. Klinsmann hätte ihn gern gehabt. Der Vorstand lehnte den Transfer jedoch ab: Da ging die Vereinsräson über den Trainerwunsch. Hleb wäre nicht nur teuer gewesen, sondern hätte im offensiven Mittelfeld womöglich Bastian Schweinsteiger (23), Toni Kroos (18), Hamit Altintop (25) und Jose Ernesto Sosa (23) blockiert.
Die Bosse hätten im Fall Hleb „mit Jürgen rauf und runter diskutiert“, sagt Rummenigge in „Sport-Bild“: „Es war eine wichtige Meinungsbildung für Jürgen, um es lieber nicht zu machen.“ Hleb geht zum FC Barcelona.
Fälle, die zeigen, dass der leitende Bayern-Angestellte Klinsmann manchmal eben auch Befehlsempfänger geblieben ist. Irgendwie tröstlich.
Michael Schilling