Au revoir! Will sich Ribéry vom FC Bayern wegtreten?
Der Franzose kassiert bei der Blamage gegen Schalke nach einem Frustfoul einen Feldverweis. Präsident Franz Beckenbauer meint: „Er läuft halt dahin, wo was los ist.“
MÜNCHEN Es war kein besonders weiter Weg. Für einen Dauerläufer wie Franck Ribéry erst recht nicht. Doch die knapp 50 Meter, die der Franzose am Samstag um kurz nach fünf vor der Haupttribüne im Schritttempo zurücklegte, die zogen sich gewaltig in die Länge. Sekunden zuvor hatte Ribéry die erste Rote Karte seiner Karriere gesehen, eine Gelb-Rote. Zuerst die Verwarnung nach einer Rangelei mit dem Schalker Treibauf Rafinha, dann das Frustfoul gegen Jefferson Farfan.
Ribéry versuchte erst gar nicht, mit Schiedsrichter Herbert Fandel zu diskutieren, sondern schritt umgehend Richtung Bayern-Bank. Dort stand sein Trainer, Jürgen Klinsmann, die Hände in die Hüfte gestützt. Sprach-, reg- und ratlos. Ribéry hatte keinen Blick für ihn, bog grußlos vor Klinsmann rechts ab und verschwand Richtung Kabine. Kein Abklatschen. Nichts.
Zu Ribérys Spiel gehören Gelbe Karten – in der Regel für die Gegner. Er selbst hat in dieser Saison in 32 Spielen fünf Mal Gelb gesehen. Der Platzverweis ist nun der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die mit der Ergebniskrise der Bayern einher geht. Ein schleichender Prozess, in dessen Verlauf Ribéry vom allseits bewunderten Zauberfußballer zum egomanischen Einzelkämpfer mutierte, vom Everybody’s-Darling-Spaßvogel zur launischen Diva. Die ungeteilte Zuneigung der Fans scheint ihm unterwegs abhanden gekommen zu sein, so wie ihm offenbar allmählich auch die Lust auf den FC Bayern vergeht.
Auf den großen Bühnen Champions League und Nationalmannschaft sah man meist einen immens motivierten Ribéry, im Alltagsgeschäft Bundesliga legte er schon mal Kunstpausen ein, selbst in so wichtigen Spielen wie in Wolfsburg. Verwunderung auch, als er sich zuletzt unverblümt in die Mannschaftsaufstellung einmischte und den Einsatz des ebenfalls Französisch sprechenden Kollegen Daniel van Buyten voran treiben wollte. Zudem genießt der Superstar beim FC Bayern durchaus mehr Freiheiten als so manch anderer Spieler, so zum Beispiel wenn er im Trainingslager ungestraft mit dem Teambus herumkurven darf. Schließlich soll der von Europas Topklubs Umworbene gehalten werden.
Mittlerweile jedoch mehren sich Stimmen, die Kritik an Ribéry äußern – wenn auch nur durch die Blume. Präsident Franz Beckenbauer sagte nach dem 0:1 gegen Schalke: „Ribery ist einer, der geht immer auf drei Spieler los, läuft halt dahin, wo was los ist - weil unter drei Spielern macht er’s ja nicht.“ Begeisterung klingt anders.
Doch nicht nur Ribérys jüngste Entwicklung bereitet Sorge. Kollege Luca Toni ist von seiner Leistung des Vorjahres in etwa so weit entfernt wie Lukas Podolski vom Durchbruch beim FC Bayern. Lucios irrlichternde Offensivblindflüge hat Trainer Klinsmann ebenso wenig im Griff wie das Lethargiker-Duo Ottl/Borowski, das vor allem bei Ein- oder Auswechslungen auffällt. Sogar der aus reiner Gewohnheit immer überzeugende Zé Roberto enttäuschte gegen Schalke mit orientierungsloser Ineffizienz. Und auch der qua Geburt stocknüchterne, in sich ruhende Niedersachse Hans-Jörg Butt hätte mit einem vogelwilden Fehlpass in Halbzeit zwei um ein Haar das 2:0 für die Gäste vorbereitet. Irgendwie bezeichnend, dass gegen Schalke der schon tausend Mal als Fehleinkauf abgestempelte Argentinier Jose Ernesto Sosa zu den besten Bayern-Spielern gehörte.
Am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach wird Franck Ribéry ohnehin gesperrt fehlen. Als der Franzose im März wegen einer Schienbeinverletzung ausfiel, war das Wehklagen zunächst groß, doch die Resultate stimmten wieder: 5:1 (gegen Hannover), 3:0 (gegen Bochum) und 7:1 (gegen Sporting Lissabon). Die Mannschaft konnte sich nicht länger hinter dem kleinen Großen verstecken, war gezwungen, sich von ihm zu emanzipieren. Damals hat das prima geklappt. Womöglich muss man sich im Hinblick auf kommende Saison schon mal daran gewöhnen, ohne den flinken Zauberer auszukommen. Denn dass Ribéry sich nochmals mit Bayern den Uefa-Cup antut, ist unwahrscheinlich. Angeblich sollen ja Real Madrid und der FC Barcelona interessiert sein.
Thomas Becker