"Assauer-Besuche kosten mich viel Kraft"

Hier erzählt Huub Stevens, wie es ist, wenn er seinen alten Kumpan Rudi Assauer besucht. Und warum es kaum klappen wird, für den an Alzheimer erkrankten Ex-Manager die Schale nach Schalke zu holen
von  Interview: Patrick Strasser

AZ: Herr Stevens, Ihre Schalker sind die Hoffnung der Bundesliga. Sie sollen am Samstag im direkten Duell das Team sein, das den Alleingang der Bayern stoppt. Was können Sie dagegen halten?
HUUB STEVENS: Wir werden versuchen, die Bayern auf unsere Art zu besiegen, wollen unser Spiel spielen.

AZ: Wie schwierig ist es für Sie zu planen, da Bayern-Trainer Heynckes dank des üppig und qualitativ gut besetzten Kaders beliebig rotieren kann?
Die Bayern haben einen Super-Kader zusammengestellt, sich toll verstärkt. Sie sind für mich wieder Titel-Kandidat Nummer eins. Normalerweise ist der FC Bayern uns einige Jahre voraus. Es geht aber weniger darum, wer spielt, sondern wie. Darauf schauen wir. Da wollen wir unsere Qualitäten dagegen setzen.

AZ: Wie ist Ihr Kontakt zu Rudi Assauer, der an Alzheimer leidet? Mit ihm haben Sie von 1996 bis 2002 die erfolgreichste Schalker Ära geprägt
Wir sehen uns alle drei, vier Wochen. Dann fahre ich zu ihm und besuche ihn, zuletzt vor zwei Wochen. Wir sprechen, erinnern uns gemeinsam an die früheren Zeiten, schauen uns zusammen alte Bilder an. Als er mich sah, habe ich in seinen Augen gesehen, dass er mich erkannt hat und sich Freude hat, dass ich ihn besuche. Da war er froh – und ich auch.

AZ: Wie sehr nehmen Sie selbst diese Treffen mit?
Es kostet unheimlich viel Kraft. Leider ist es noch schwieriger geworden, mit ihm zu reden. Rudi sitzt auf der Couch und nickt meist nur stumm mit dem Kopf. Es ist schwer zu sagen, was er mitbekommt. Trotzdem macht es uns Spaß. Auch wenn ich danach etwas kaputt bin: Kann ich ihm eine Freude bereiten, komme ich immer wieder.

AZ: Hat sich sein Zustand verschlechtert?
Wenn man das vergleicht mit seiner Verfassung ein paar Monate zurück, dann ist das unglaublich – und leider unbeschreiblich, wie die Krankheit voranschreitet, ihn mehr und mehr mitnimmt. Rudi ist ein anderer Mensch, aber trotzdem ist er für mich immer noch der Rudi. In einigen Momenten kann ich das spüren.

AZ: Viele Schalker träumen davon, Rudi Assauer im Mai 2013 die Meisterschale widmen zu können.
Ja, gerne. Aber wenn das so einfach wäre. (lacht)

AZ: Warum denn nicht?
Schauen Sie doch mal, was der FC Bayern und Dortmund in neue Spieler investiert haben im Gegensatz zu uns. Wir haben genau null Euro an Ablöse ausgegeben und zudem viele Spieler abgegeben, weil wir einen zu großen Kader hatten. Wir versuchen, aus unserer Situation das Beste zu machen.

AZ: Wird es Ihre letzte Saison als Schalke-Trainer?
Nein, wir haben besprochen, dass wir uns Zeit lassen mit der Entscheidung. Es geht darum, was der Verein möchte und für mich persönlich, ob ich weiter Spaß an meinem Job habe. Da gibt es viele Überlegungen. Nächstes Jahr im Frühjahr gehen wir die Gespräche an, es kann so viel passieren im Leben.

AZ: Jupp Heynckes ist 67 Jahre alt. Womöglich werden die Bayern versuchen, ihn zu überzeugen, im Juli 2013 noch eine Saison dranzuhängen.
Ja, unglaublich. Meine Hochachtung! Großes Kompliment. Jupp hat so viele Erfolge gehabt und hat immer noch den Ehrgeiz für diesen Job – toll. Ich weiß, wie das mit der Gesundheit ist, das spüre ich in meinem nächsten Umfeld, siehe etwa Rudi Assauer.

AZ: Ihre Frau Toos litt lange Zeit an Morbus Crohn, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Wie geht es Ihr?
Gut. Wir haben die Krankheit ganz gut unter Kontrolle. Toos hat heute wieder ihr eigenes Leben, hat Freude mit den Enkelkindern.

AZ: Sind Sie durch all diese Schicksalsschläge um Sie herum gelassener geworden?
Ja. Das Leben besteht nicht nur aus Fußball, es gibt ein anderes Leben. Wenn du immer noch die Fehler machst wie vor 20, 30 Jahren, dann hast du nichts gelernt. Und ich will immer noch jeden Tag dazulernen. Man muss positiv bleiben. Wenn du zu viel nachdenkst, wirst du verrückt.

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