Arjens letzter Angriff

München - Am Dienstagmittag sitzt Arjen Robben im Warmen, als draußen auf dem Trainingsplatz an der Säbener Straße der Puls der Mitspieler nach oben schießt. Bei Minustemperaturen treibt Bayern-Trainer Niko Kovac seine Stars an.
"Qualität!", ruft der Coach beim Kreisspiel immer wieder, und: "Bewegen, bewegen, bewegen!" Wie ein General steht Kovac da, die Arme verschränkt, und er scheint mit der Intensität nicht zufrieden zu sein. Einen Typen wie Robben hätte er nun wohl gern dabei. Doch das geht nicht. Noch nicht.
Denn Robben strampelt während des Trainings auf dem Ergometer, aus dem Übungsraum der Geschäftsstelle kann der Niederländer direkt auf den Platz schauen. Eine Reizung im Oberschenkel lässt weiter kein Teamtraining zu. Um 12.34 Uhr kommt Robben schließlich doch raus. Mit Fitnesstrainer Holger Broich absolviert er auf einem Nebenplatz individuelle Übungen, er joggt, sprintet und spielt Pässe.
Robben kämpft um ein schnelles Comeback, um einen großen Abschied in dieser Rückrunde. Es ist sein letzter Angriff im Bayern-Trikot.
Nach zehn Jahren ist Schluss
Nach dann zehn äußerst erfolgreichen Jahren in München wird im Sommer Schluss sein für Robben, der an diesem Mittwoch 35 Jahre alt wird. "Ich finde es schade, dass er aufhört", sagt der frühere Bayern-Kapitän Klaus Augenthaler der AZ: "Ich sehe ihn öfter mal beim Training, er ist immer noch topfit. Arjen ist ein Vollprofi. Wenn man seinen durchtrainierten Körper sieht…"
Auch Vereinsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt bescheinigt Robben weiter eine "sehr gute Verfassung. Aber er spielt nur, wenn er zu 100 Prozent fit ist." Deshalb gingen Robben und die Bayern zuletzt auch kein Risiko ein. Im Wintercamp in Doha trainierte er fast nur individuell, sein letztes Spiel hat er Ende November bestritten: Gegen Benfica Lissabon gelangen ihm beim 5:1-Sieg zwei wunderschöne Tore.
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Liverpool im Kopf
Ob Robben in der Rückrunde noch mal in eine solche Galaform kommt? Augenthaler glaubt daran. "Der Franz (Beckenbauer, Anm. d. Red.) hat es früher schon gesagt: Es gibt nur gute oder schlechte Spieler – und keine jungen oder alten. Robben wird hochmotiviert sein, sich mit guten Leistungen zu verabschieden." Ebenso übrigens wie Franck Ribéry (35), der derzeit an einem Muskelfaserriss laboriert. "Bei Franck Ribéry sehe ich es ähnlich wie bei Robben. Er wird seine Einsätze bekommen in der Rückrunde und noch wichtig für die Mannschaft", sagt Augenthaler.
Die Partie bei Bayer Leverkusen am 2. Februar ist für Robben und Ribéry wohl ein realistisches Comeback-Datum. Vor allem aber haben die beiden Oldies ein anderes Spiel im Kopf: Liverpool, Anfield Road, der 19. Februar. Dann treten die Bayern im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei Jürgen Klopps Mannschaft an. "Sie sind vielleicht das schlechteste Los, das wir kriegen konnten", sagte Robben jüngst in Doha. "Sie sind einer der Favoriten auf den Titel." Zugleich aber fiebert der Niederländer diesem Duell entgegen, er will es noch mal allen beweisen: "Es wird eine großartige Herausforderung für uns. Wenn wir einen guten Tag haben und so spielen, wie wir es wollen, wird es sehr schwierig für Liverpool."
Dafür brauchen die Bayern Robbens Klasse und Erfahrung, speziell in Partien der Königsklasse hat er in den vergangenen Jahren oft überzeugt. Und gegen Trainer Klopp sowieso. Unvergessen ist sein Siegtor im Champions-League-Finale 2013, als er nach Ribérys Hackenvorlage zum 2:1 gegen Borussia Dortmund traf. Auch 2014 im Endspiel des DFB-Pokals (2:0) erzielte Robben ein entscheidendes Tor. Und diesmal?
Robben will mit Titel aufhören
"Mein Ziel ist noch immer, mich mit mindestens einem Titel zu verabschieden", sagt Robben. Das könnte freilich auch die deutsche Meisterschaft sein, Robbens achte – trotz aktuell sechs Punkten Rückstands auf den BVB. "Ich hoffe, dass Bayern noch Meister wird, und ich glaube auch daran", macht Augenthaler Mut.
Im Sommer wird Robben dann eventuell einen letzten Vertrag in der Heimat unterschreiben – oder er hört komplett auf. Diese Option besteht auch bei Ribéry. Die Nachfolger der Ikonen, Serge Gnabry und Kingsley Coman, müssen in riesige Fußstapfen treten. "Die beiden Jungen werden in dieser Rückrunde noch viel von den beiden Älteren lernen", glaubt Augenthaler.
Speziell von Robben, der mit seinem Ehrgeiz ein Vorbild für alle jungen Spieler ist.
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