Arjen Robben und die Ego-Debatte

Franz Beckenbauer nennt Arjen Robben „Egoist“ und spricht von „gefährlicher Entwicklung“. Paul Breitner hält dagegen: „Jeder muss in erster Linie Egoist sein.“ Die Bayern-Historie liefert dafür viele gute Beispiele.
Da können Vorstand, Trainer und Team noch so wortreich die Causa Robben kleinreden - wenn Franz Beckenbauer den Wilden Kaiser gibt, rappelt’s im Karton. Und so sprach der TV-Experte bei „Sky 90“: „Die Anerkennung hat er teilweise verspielt. Er ist ein Egoist wie viele andere auch.“ Pardauz!
Beckenbauer weiter: „Allein die Reaktion, wenn er eine gute Szene hat oder ein Tor schießt! Er rennt nicht zu dem, der ihm die Vorlage gegeben hat, sondern zu seinen Familienmitgliedern auf die Tribüne und grüßt die. So lässt er die Mannschaft hinter sich her laufen. Das sind gefährliche Entwicklungen. Da müsste er ein bisschen mannschaftsdienlicher denken.“
Die Philippika galt Arjen Robben. Manche nennen ihn Alleinikov, stören sich an seiner egoistisch wirkenden Art. Aber: Braucht eine Mannschaft nicht auch solche Egos? Paul Breitner, selbst seit Jahr und Tag alles andere als ein Duckmäuser, sagt: „Jeder muss in erster Linie Egoist sein! Jeder Spieler, jeder Arbeiter, jeder Journalist, unabhängig von den Kollegen. Das zieht sich durch alle Bereiche, gerade wenn man in einer Gruppe arbeitet und lebt.“
Wichtig ist Breitner folgende Unterscheidung: „Ist jemand Führungsspieler, also Chef der Mannschaft oder einer von zwei Chefs, oder reden wir vom Ego eines Individualisten? Für mich zählt im Fußball wie im Sport oder im Geschäftsleben, dass sich der Einzelne so entwickelt, wie er glaubt sich entwickeln zu müssen, um am Ende über seinen Individualismus seiner Mannschaft oder Gruppe zu helfen.“
Aufregen kann sich Breitner über eine andere Spezies: „Ich hab’ was gegen Leute, die sich immer wegducken, sich in den Schatten anderer stellen, die immer nur sagen: ’Die Mannschaft, die Mannschaft, die Mannschaft’. Nein! Ein Torjäger zum Beispiel muss ein Ego haben – und es auch ausleben.“
Die Geschichte des FC Bayern ist voll von starken Egos. Hier sind zehn davon (streng alphabetisch und ohne Berücksichtigung des konkurrenzlosen Louis van Gaal):
Hätte beim Wechsel an die Isar auch die Ego-Sammler von Real Madrid bereichern können. Trotz vieler Treffer und nationaler Titel warfen ihm Fans und Vorstand stets vor, ins noch lukrativere Ausland wechseln zu wollen - was er dann auch tat.
Mario Basler:
Wäre fast als genialer Schütze des Goldenen Tores im Champions-League-Finale ’99 in die Geschichte eingegangen. Flog nach einer Wirthausrangelei raus, als rauchender, Bier trinkender Stehgeiger.
Franz Beckenbauer:
Deutschlands feinstes Füßchen stand wie selbstverständlich immer im Mittelpunkt. Im Schatten: eifrige Zuarbeiter wie Katsche Schwarzenbeck, Rainer Zobel, Bernd Dürnberger. Dafür erfeilschte er für die 74er Kameraden eine satte WM-Prämie.
Paul Breitner:
Sinnbild des Eigennutz: der Elfmeter im 74er Finale, den er gar nicht schießen sollte. Galt mit Afro-Look und Mao-Bibel schon früh als Querkopf und Revoluzzer, aber auch als derjenige, der auf dem Feld als Erster die Ärmel hoch krempelte.
Spitzname Tiger, also Einzelgänger. Andererseits hätte Bayern ohne den Gift und Galle sprühenden Einpeitscher und Chef-Grätscher 2001 nicht die Champions League geholt.
Schon qua Position ein einsamer Wolf, mit dem der DruckDruckDruck so manches Mal einfach durchging. Aber: Mehr Siegeswille geht nicht.
Mit Sicherheit immer noch beleidigt, dass Bayern ihn damals nicht mehr wollte. Stinksauer bei jeder Auswechslung. Würde auch heute noch jeden Konkurrenten nur mit gebleckten Zähnen wegbeißen.
Wer glaubt, mit 39 noch Weltspitze zu sein und von sich in der dritten Person redet („Ein Loddamaddäus weiß, wovon er spricht“), muss zu viel Ego abbekommen haben.
Wem erfolgreiche Pop-Songs („Rummenigge, what a man“) gewidmet werden, hätte allen Grund abzuheben. Man kann aber auch unfallfrei als Kapitän vom Rasen in den Vorstand wechseln und Vereinsarbeiter werden.
Ein Effenberg der neueren Zeit: nicht schnell, aber wild entschlossen. Kam fast als Mannschaftskapitän auf die Welt. Blieb das auch als Bankdrücker unter Jürgen Klinsmann. Flüchtete erst vor van Gaal und dem Stammplatzverlust. Wäre ganz schlecht fürs Ego gewesen.