Anwalt Schickhardt zur Causa Lewandowski: "Der Verein kann den Spieler auch auf die Tribüne setzen"

München - AZ-Interview mit Christoph Schickhardt: Der 68-Jährige ist Deutschlands renommiertester Sportrechtsanwalt. Zu seinen Mandaten zählen zahlreiche Bundesligaklubs.
AZ: Herr Schickhardt, die Causa Lewandowski droht beim FC Bayern zu eskalieren. Der Spieler will unbedingt zum FC Barcelona wechseln und setzt den Verein öffentlich unter Druck. Wie sollten die Bosse des Rekordmeisters aus Sicht eines Sportanwalts mit dieser Situation umgehen?
CHRISTOPH SCHICKHARDT: Eigentlich ist die arbeitsrechtliche Lage in diesem Fall relativ einfach: Wie man hört, hat der befristete Arbeitsvertrag von Herrn Lewandowski noch eine Laufzeit bis zum 30. Juni 2023 - und dieser Vertrag hat vor jedem deutschen Arbeitsgericht ohne jeden Zweifel Bestand und ist deshalb auch beidseitig zu erfüllen.
Es könnte aber sein, dass der Spieler Mittel und Wege sucht - zum Beispiel einen Streik -, um den FC Bayern zu zwingen, ihn vorzeitig zu verkaufen. Ähnliche Fälle gab es in Deutschland aber auch im europäischen Fußball in der jüngeren Vergangenheit ja genug.
Man kennt ja die Verfahrensweisen der Spieler. Ich habe vielfach Klubs in solchen Fällen vertreten und plädiere deshalb schon seit Jahren für eine konsequente Linie bei den Vereinen. Ich erinnere mich da zum Beispiel an den Fall von Heiko Herrlich und seinen damaligen Wechsel von Borussia Mönchengladbach zu Borussia Dortmund. Damit fing es an. Oder aber des ehemaligen Dortmunders Spielers Ousmane Dembélé. Für die Klubs gilt: Haltung und Stärke. Das zahlt sich langfristig aus.

Schickhardt erklärt: Diese Sanktionsmöglichkeiten haben die Vereine
Was empfehlen Sie also konkret?
Die Klubs dürfen diese Rosinenpolitik der Spieler, also dass man sich nur herauspickt, was man gerade will, nicht zulassen. Als Verein würde ich dem Spieler sagen: "Du hast die Verpflichtung hier zu spielen, du hast einen Wahnsinnsvertrag beim FC Bayern, um den dich die ganze Welt beneidet. Du wolltest den Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt und die Höhe des Gehalts ist auch Ausdruck der Laufzeit. Jetzt halte dich dran. Wir tun es auch. Außerdem: Betrachten wir doch mal den entgegengesetzten Fall, wenn der Spieler verletzt wäre, unter Longcovid leiden oder einfach nur im Formtief stecken würde, würde er ja auch auf die Erfüllung seines Vertrages durch den Verein bestehen - und das völlig zu Recht!
Welche Sanktionsmöglichkeiten hätte der Verein, wenn der Spieler versuchen würde, sich wegzustreiken?
Zum einen kann er ihm natürlich das Gehalt kürzen. In Spielerverträgen gibt es durchaus Möglichkeiten, wirksame Sanktionen auszusprechen.
Angesichts der enormen Gehälter im europäischen Spitzenfußball ist es fraglich, ob sich Spieler von so einer Maßnahme ernsthaft beeindrucken lassen.
Der Verein kann den Spieler auch auf die Tribüne setzen. Das gefällt keinem Profi auf Dauer. Denn der Spieler will spielen, sich empfehlen, will womöglich bei einer WM spielen und dafür braucht er natürlich Spielpraxis. Wer eine solche Pause von ein paar Monaten vor Augen hat, fällt auch bei den anderen Klubs durch das Raster. Das wäre für den Verein eine Investition in Glaubwürdigkeit. Mein Rat an die Vereine ist immer, im Zweifel auch sportliche und finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen. Denn sie tun dem Verein langfristig gesehen etwas Gutes, weil die anderen Spieler merken, dass es so nicht geht. Alle Spieler schauen jetzt genau hin. In diesem Verein und bei anderen. Mit der Konsequenz wächst auch der Respekt.
Mit einer Kündigung würde der FC Bayern Lewandowski einen Gefallen tun
In jedem normalen Arbeitsverhältnis würde der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in so einem Fall entlassen. Im Profifußball geht das nicht: Mit einer vorzeitigen Kündigung würde der FC Bayern Robert Lewandowski ja einen Gefallen tun.
Das stimmt. Aber man muss an dieser Stelle auch mal sagen: Bislang ist ja nichts passiert und ich gehe einfach davon aus, dass Herr Lewandowski ein anständiger Arbeitnehmer und fantastischer Sportler ist und seinen Vertrag erfüllt. Außerdem müssten in so einem Fall auch beim aufnehmenden Verein alle Alarmglocken angehen, denn ich muss dann ja davon ausgehen, dass der Spieler bei mir in der Zukunft dann auch so etwas versuchen könnte. Ein solcher Spieler "verarmt" beim FC Bayern ja auch nicht und sportlich gibt es auch nichts Besseres. Das Mitleid beim FC Bayern bleiben zu müssen, hält sich wohl weit in Grenzen.
Da sich die Fälle zuletzt häuften: Haben die Vereine schon reagiert und entsprechende "Streikklauseln" in die Spielerverträge einbauen lassen?
Nein, so etwas gibt es nicht. Aber denken wir doch mal an den Fall Filip Kostic von Eintracht Frankfurt (wollte sich vor der abgelaufenen Saison zu Lazio Rom streiken, Anm. d. Red.). Da war der Verein konsequent. Dieser super Spieler hat dann sofort die Fahne gestrichen und beste Leistung gebracht - aus eigenem Interesse. Jetzt ist er mit der Eintracht ein internationaler Star geworden und hat alles richtig gemacht. Das konnte er nur bei der Eintracht und mit diesem Team erreichen. Weil er sich anbieten will, weil er spielen will, weil er so wie jetzt mit dem Europaleague-Sieg große Triumphe feiern will. Meistens suchen die Spieler ja in solchen Fällen die momentane Schwäche des Vereins und wenn es dann diese Schwäche nicht gibt, ordnen sie sich ganz schnell wieder ein.