Ganz andere Töne: Kehrt jetzt die neue Demut beim FC Bayern ein?

Nachdem dem FC Bayern in Sachen Pokalgewinn nur noch die eher vage Aussicht auf den Henkelpott der Champions League bleibt, sind aus dem Verein plötzlich bisher ungehörte Wortfolgen zu vernehmen.
von  Thomas Becker
Sportvorstand des FC Bayern: Max Eberl.
Sportvorstand des FC Bayern: Max Eberl. © IMAGO / Sven Simon

München - Demut ist eine Vokabel, die hauptberufliche Buchstabenaneinderreiher in den vergangenen Jahrzehnten selten bis gar nicht mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht haben. Eher schon Begriffe wie Selbstbewusstsein und Dominanz, bei kritischerer Betrachtung auch Substantive wie Hybris und Arroganz. Der Volksmund sagt zwar "Bescheidenheit ist eine Zier", doch bei Bayern reimt man gern weiter "... doch weiter kommt man ohne ihr".

Nun, da der ewige Dominator mit dem Ofenrohr ins Gebirge schaut, wo die vor Ur-Zeiten zu Vizekusen verdammten Leverkusener den Liga-Gipfel besetzt halten, sind plötzlich bislang nie gehörte Wortfolgen zu vernehmen. Sportvorstand Max Eberl gab nach dem 0:2 gegen den BVB zu, dass die Meisterschaft abgehakt sei und man vielmehr "mal in den Rückspiegel schauen" solle "was da passiert. Wir sollten unsere Hausaufgaben machen, unsere Spiele gewinnen und die Champions League sichern".

FC Bayern: Champions League in der kommenden Saison in Gefahr?

Hä? Der FC Bayern und die Champions League sichern? Nur die Älteren erinnern sich, wann die Roten zuletzt nicht im Konzert der Besten mitmischten: in der Saison 2007/08. Zuvor hatte man die Spielzeit auf dem enttäuschenden vierten Platz abgeschlossen, und da die Bundesliga damals nur drei statt vier Startplätze für die Champions League besaß, wurde die Königsklasse verpasst.

Heuer müssten Tuchels Mannen schon bis auf Platz fünf abrutschen, um nicht dabei zu sein, was dann doch eher unwahrscheinlich ist. Aber allein die Aussicht auf die Schmach, in der Endabrechnung nicht nur hinter Leverkusen, sondern auch noch hinter einem VfB Stuttgart oder dem BVB zu landen, lässt die Bosse jetzt ans Ehrgefühl der Spieler appellieren. Wieder Eberl: "Man kann natürlich den nächsten Trainer rauswerfen und sagen, wieder der nächste Trainer und wieder der nächste Trainer. Aber es sind schon die Jungs auf dem Platz, die da stehen und ihre Leistung bringen müssen."

Auch Thomas Müller hakt die Meisterschaft ab

Klassensprecher Thomas Müller zeigte sich reuig, via Newsletter: "Die Tabellensituation gibt nicht viel Raum für Spekulationen. Leverkusen zeigt keine Schwäche, und wir liefern nicht ab. Somit geht die Meisterschaft wohl nach Leverkusen." Und weiter: "Beim FCB müssen wir jetzt die Suppe auslöffeln, die wir uns selbst eingebrockt haben."

Klein beigeben hat er bei aller gebotenen Demut jedoch nur in Spurenelementen im Programm. Selbstredend sei der Gewinn der Champions League noch eine Option, auch wenn es wohl nicht einfach werde: "Es wird ein großes Stück Arbeit, aber ich bin davon überzeugt, dass wir die Gunners schlagen werden." Und nicht nur die, wenn es nach Müller geht: "Wer die Auslosung verfolgt hat, weiß, dass wir wohl den schwersten Weg Richtung Finale erwischt haben. Aber vielleicht ist das genau unser Weg."

Vor Duell mit Arsenal: FC Bayern wird den Tabellenführer in der Premier League nicht unterschätzen

Welchen Weg der noch amtierende Oberbefehlshaber des Kaders einschlagen wird, ist unklar. Was und wie Thomas Tuchel nach dem Dortmund-Desaster sagte, klang nicht nach Demut, sondern nach Frust, Defätismus und Schicksalsergebenheit – und so gar nicht nach "Jetzt erst recht!". Klar, angesichts von 13 Punkten Rückstand bei sieben ausstehenden Ligapartien erwartet niemand eine Kampfansage an die enteilten Leverkusener. Aber ein bisschen mehr breite Brust wäre wenige Tage vor dem Treffen mit dem Tabellenführer der Premier League schon angezeigt.

Gegen Arsenal werden die Bayern einen Fehler sicher nicht begehen, der ihnen vor zwei Jahren zum Verhängnis wurde: beim Viertelfinal-Aus gegen die Underdogs aus Villarreal. Die hielten ihnen in Person von Francis Coquelin Hochnäsigkeit vor: "Es hat ein wenig an Demut gefehlt. Jeder in unserer Umkleidekabine hatte es in der Presse gesehen, und das gibt einem ein bisschen zusätzlichen Biss", sagte der Mittelfeld-Star und legte nach: "Sie haben im Hinspiel gemerkt, dass es schwieriger wird, weil wir drei oder vier Tore hätten schießen können. Ich dachte, dass sie es nach dem ersten Spiel gelernt hätten, aber im zweiten Spiel haben sie genau dasselbe gemacht."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.