Ancelotti gegen Tuchel: Ihr erstes Mal
Beim Supercup trifft Carlo Ancelotti mit dem FC Bayern auf ´Thomas Tuchel und Borussia Dortmund – ein Duell, das die Liga in den kommenden Jahren prägen dürfte.
München - Der Schüler bitte nach vorne, vor die Klasse. Der Lehrer setzt sich ganz nach hinten, als stummer Beobachter und Scharfrichter. Mit Stift und Zettel. Carlo Ancelotti, der Schüler auf dem Podium der Pressekonferenz an der Säbener Straße, spürte den Druck und verriet, dass „er versuchen werde, Deutsch zu sprechen, weil mein Lehrer Max da ist“. Kein Lehrer der ganz alten Schule wie man meinen könnte. Nein, in Sneakers, rot-weiß kariertem Hemd, Vollbart und Tattoos. Ancelotti schlug sich wacker, nach fünf Wochen im Bayern-Kosmos spricht der neue Trainer passabel Deutsch. Nach wenigen Antworten schlug der Italiener, der vor seinem Bayern-Engagement in Vancouver einen Deutsch-Sprachkurs an der „University of British Columbia“ belegt hatte, vor: „Wenn ich von nun an weiter Englisch spreche, kommen wir alle rechtzeitig zum Mittagessen. Bleiben wir beim Deutsch, sind wir bald beim Abendessen.“ Ein charmanter Schachzug. Lunch oder nix.
Und inhaltlich? Nur wenige Brocken Infos konnte Ancelotti vor dem Supercup am Sonntag (20.30 Uhr, ZDF und Sky) bei Borussia Dortmund verraten. „Unsere Idee ist es, mutig zu spielen und unser Spiel durchzuziehen. Gegen eine fantastische Mannschaft, vor einem fantastischen Publikum.“ Die EM-Nachzügler, die seit 5. August wieder trainieren, seien „bereit, zu spielen“. Er nannte Manuel Neuer, Thomas Müller, Robert Lewandowski und Mats Hummels, den Überläufer. Sie sollen helfen, dass Ancelotti den ersten Titel der Saison und seiner Amtszeit in München gewinnt. Und das im Duell mit Thomas Tuchel, der in sein zweites BVB-Jahr geht – durch die Vizemeisterschaft und die Pokalfinalniederlage gegen Bayern bisher undekoriert.
Bayern gegen Dortmund, ein seit vergangener Saison wiederbelebter Klassiker, wird nun von Ancelotti (57) und Tuchel (42) verantwortet. Nach zwei Spielzeiten Pep Guardiola gegen Jürgen Klopp (Bilanz 4:4 in allen Pflichtspielen, darunter 0:2 im eher unwichtigen Supercup) und Guardiola gegen Thomas Tuchel im letzten Jahr (ein Sieg, ein im Elfmeterschießen gewonnenes Cup-Endspiel, ein Remis) beginnt nun ein neues Duell, das die Liga über die nächsten Jahre prägen dürfte. Zwei Trainergenerationen treffen aufeinander. Der bedächtige, routinierte Genussmensch Carlo, für die Spieler eine Art Onkelfigur und auf der anderen Seite Tuchel, der Asket. In seinem Streben nach Perfektion und Ruhm ein besessener Arbeiter, ein Fußball-Nerd.
Weltanschauung und Herangehensweise der beiden an bestimmte Themen und Herausforderungen sind gänzlich unterschiedlich. Bestes Beispiel: der Supercup-Termin. Während Tuchel nach der Test-Pleite gegen Bilbao (0:1) haderte, die Partie komme zum falschen Zeitpunkt, freut sich Ancelotti auf sein Pflichtspieldebüt. Bedenkenträger Tuchel „hätte auf den Supercup verzichten können“. Denn: „Wir sind gut beraten, die Ansprüche nicht zu groß zu setzen. Es gab schon bessere Ausgangslagen, um Bayern herauszufordern.“ Lebemann Ancelotti lässig: „Es ist ein Finale, ein Titel, also immer wichtig. Es wird Zeit, den Supercup wieder zu gewinnen.“ Unter Vorgänger Guardiola verloren die Bayern drei Mal hintereinander die Saison-Ouvertüre. Dessen Deutsch war anfangs beeindruckend, er verbesserte sich jedoch nur geringfügig.
Er sei „etwas nervös“, gestand Ancelotti und sagte: „Ich hoffe, dass ich nach dem Spiel am Sonntag glücklich sein werde.“ Als er nach 20 Minuten fertig ist und rausgeht, sagt er zu seinem Lehrer: „Please don’t kill me! Don’t kill me!“ Max antwortete: „No, no. It was good.“