Als Grafite per Hacke mitten ins Herz des FC Bayern traf

Der 4. April 2009 geht als Schmach von Wolfsburg in die Bayern-Geschichte ein. Felix Magath wechselt den Keeper aus und der VfL-Brasilianer Grafite macht mit seinem zweiten Tor die Demütigung perfekt.
von  Patrick Strasser
Grafite schnappte sich nach seiner Gala das Trikot von Franck Ribéry.
Grafite schnappte sich nach seiner Gala das Trikot von Franck Ribéry. © Rauchensteiner/Augenklick

Wolfsburg/München - Kurz vor Schluss setzt Felix Magath noch einen drauf – als ultimative Demütigung für seinen früheren Arbeitgeber, für den FC Bayern. Also ruft der Wolfsburger Coach in der 89. Minute einen der Ersatzspieler zu sich an die Seitenlinie. Für Wechsel Nummer drei. André Lenz soll für Diego Benaglio kommen, der Stellvertreter für den Stammtorhüter. 5:1 führen die Wolfsburger zu diesem Zeitpunkt, haben die Bayern des ratlosen Trainers Jürgen Klinsmann auseinandergenommen.

Ein dritter Wechsel, schön und gut – aber den Torhüter? Aufgebracht läuft Mark van Bommel zur Seitenlinie und beschwert sich lautstark bei der Wolfsburger Trainerbank: "Das könnt ihr nicht machen!" Machen sie aber. "Quälix" Magath zieht es durch.

So rechtfertigte Magath die Torwart-Demütigung

Ein Racheakt des nach zwei Doubles hintereinander Ende Januar 2007 an der Säbener Straße entlassenen Ex-Coaches? Laut Magath war solch ein Tausch abgesprochen gewesen. Was Torhüter Lenz einst bei "11 Freunde" bestätigte: "Ich war in der ganzen Zeit ein stets loyaler zweiter Torwart und da wollte er mir die Chance geben, den Sieg auf dem Feld miterleben zu können und die Einwechselprämie zu bekommen." FC Bayern: Die Vertragslaufzeiten der Spieler

Lenz, der vor seinem Wechsel 2004 nach Wolfsburg für eine Saison beim TSV 1860 unter Vertrag war (als Nummer zwei hinter Simon Jentzsch) weiter: "In den Spielen zuvor gab es einfach nicht den Spielstand, um den Torwart zu wechseln. Grundsätzlich war das ein sehr schöner Tag für uns alle. Nicht nur für Herrn Magath, sondern auch für den VfL Wolfsburg und jeden einzelnen Spieler. Warum hätte er mich in dem Moment nicht einwechseln sollen? Das Spiel war doch bereits entschieden." Aber so was von!

Grafite führt die Bayern-Abwehr komplett vor

An jenem 4. April 2009, es ist der 26. Spieltag, erfolgt im Wölfe-Revier eine Machtübernahme. Durch das 5:1, dem achten Erfolg in Serie, ist die Magath-Truppe, nach der Hinrunde nur auf Tabellenplatz neun (!), erstmals Tabellenführer.

Das Sinnbild dieses sensationellen Überholmanövers ist Grafites mehr als sensationelles Hackentor zum 5:1-Endstand (einziger Bayern-Treffer: Luca Toni/45.). Zuvor hatten Christian Gentner (44.), Edin Dzeko per Doppelpack (65./66.) und Grafite mit seinem ersten, nicht so sensationellen Streich (74.) getroffen.

Drei Minuten später fällt der Rekordmeister in sich zusammen, die Defensivspieler Andreas Ottl und Christian Lell samt Torhüter Michael Rensing taumeln durch den Strafraum. Philipp Lahm ist ebenfalls keine Hürde mehr, an Landsmann Breno vorbei setzt der Brasilianer die Kugel per Hacke des Grauens ins Tor. So langsam wie der Ball hinter die Linie trudelt, so heftig ist der Stich ins rote Herz.

 

Grafite schießt sich und Wolfsburg zum Titel

Grafite (übersetzt: "die Bleistiftmine") kommentierte sein Husarenstück so: "Ich hatte schon Sorge, dass der Ball vielleicht nicht ins Tor kullert. Mein Schuss war nicht so hart wie sonst. Aber letztlich war der sanfte Schuss genau richtig, um an den Bayern-Spielern vorbeizurollen. Ich bin froh, dass ich den Ball nicht fester getroffen habe. Sonst wäre er wohl vorbei gegangen." Bayern-Star Franck Ribéry lobt Grafite, den Magath immer so schön "Grafitschi" ruft, für sein "sehr schönes Tor", tauscht das Trikot.

Grafite schnappte sich nach seiner Gala das Trikot von Franck Ribéry.
Grafite schnappte sich nach seiner Gala das Trikot von Franck Ribéry. © Rauchensteiner/Augenklick

Ein sehr wertvolles, wie sich später herausstellen sollte. Grafite wird mit 28 Toren (erzielt bei nur 25 Einsätzen) Torschützenkönig und Fußballer des Jahres, der VfL Wolfsburg feiert am Saisonende den ersten Titelgewinn der Vereinsgeschichte.

Und die Bayern? Taumeln durch die Saison, drei Wochen danach wird Klinsmann durch Jupp Heynckes ersetzt. Der führt die Münchner noch auf Rang zwei und damit direkt in die Champions League.

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