Alle(s) unter Kontrolle
Louis van Gaal mag nichts dem Zufall überlassen. Der neue Bayern-Trainer stellt strikte Regeln auf – sogar für die Tischordnung beim Essen. Und will auch von privaten Problemen der Spieler wissen.
DONAUESCHINGEN Für Louis van Gaal gibt es lediglich zwei Ebenen, die seine Arbeit beeinflussen können. In erster Linie er selbst und zweitens der Zufall. Letzterem aber will der neue Bayern-Coach am liebsten gar nichts überlassen. Er verlässt sich auf sich selbst, seine Intuition, seine Erfahrung und seine Assistenten.
Seinem Stab, den Trainingsplatzmitarbeitern Jonkers, Gerland, van Dijk, Reckers, Junghans und Laux vertraut er seine Beobachtungen an, sonst lediglich noch seinem kleinen schwarzen Buch. Nur einmal während des Test-Cup-Wochenendes in Gelsenkirchen wurde der 57-Jährige nervös, als er nach den TV-Interviews hektisch nach seinem Allerwertesten suchte, dem Büchlein für seine Spielaufzeichnungen. Er gibt eben ungern Dinge aus der Hand. Van Gaal, der Kontrollfreak. Wen und was er bei Bayern alles observiert:
Jede Trainingseinheit:
Dazu zählen in der Vorbereitung auch die Testspiele wie der T-Home-Cup, bei dem die Spieler mit einem Brustgurt zur Herzfrequenzmessung unter dem Trikot traten. Kein Training findet mehr oben ohne statt. „Daher war es kein Problem, wir sind es gewohnt. Das Ding stört nicht, das Material ist angenehm", berichtet Andreas Görlitz. Die Daten werden zur Trainingssteuerung genutzt, die Analyse erfolgt am Laptop. Spezialist Reckers erstellte Zusammenschnitte der Tests. An der Säbener Straße ließ van Gaal mehrere Kameras rund um die beiden Profi-Trainingsplätze installieren – keiner soll sich mehr sicher fühlen.
Den Tagesplan:
Um 8.30 Uhr wird die Mannschaft im Hotel „Öschberghof" geweckt, danach geht es zum Frühstück. Training, Ruhepause, Mittagessen, Nickerchen-Zeit, Training, Abendessen. „Um 23.30 Uhr Zapfenstreich“, erzählte Andreas Görlitz. Ob sich ein Spieler schon etwas erlaubt habe? Görlitz: „Nein, bisher nicht. Das traut sich wohl auch keiner." Die Spieler sollen exakt in der gleichen Kleidung erscheinen. „Es kommt schon mal vor, dass jemand ein falsches T-Shirt an hat, doch das soll nicht sein.“
Die Tischordnung beim Essen:
Lediglich für van Gaal und sein Trainer-Team ist ein fester Tisch reserviert, für die Spieler nicht. Die Regelung: In der Reihenfolge, in der die Profis in den Saal trudeln, müssen sie sich an einen der drei Neuner-Tische setzen. Einen Stuhl frei halten? War einmal. Damit will der Coach Grüppchenbildung verhindern. Van Gaal will die sonst festgelegte und eingefahrene Sitzordnung auflockern. Damit jeder jeden kennenlernt
Das Privatleben:
Da ist van Gaal direkt. Er fragt selbst in zahlreichen Einzelgesprächen. „Ich möchte wissen, ob ein Spieler verheiratet ist, ob er zu Hause Probleme hat", sagte der Holländer, „ich will alles wissen von meinen Spielern." Ausflüge ins Münchner Nachtleben sind gefährlicher geworden.
Van Gaal hat bei all seinen Stationen Disziplin als eine seiner obersten Maximen festgelegt und den Spielern auch vermittelt. „Ich denke, Menschen tun gewisse Regeln gut, an denen man sich orientieren muss. Denn ohne Regeln ist es schwierig, in einer Gemeinschaft zu leben", sagt er.
Den von ihm angekündigten Verhaltenskodex haben die Spieler noch nicht vorgelegt bekommen, auch keinen Strafenkatalog mit den üblichen Summen zur Überweisung an den Verein für karitative Zwecke. Van Gaal setzt stattdessen auf kleine, persönliche Strafen, etwa diese: Wer zuletzt in den Bus steigt, muss ganz nach hinten. „Ich setze nur Regeln fest", erklärte der Coach, „und innerhalb dieses Regelwerks können sich alle Spieler frei bewegen." Sie werden schon wissen, wie viel Freiraum sie sich gönnen.
Patrick Strasser
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