"Alles Gute, Franz": Beste Grüße vom Watschn-Mann

1958 ohrfeigt Sechzigs Gerhard König SC-München-Profi Franz Beckenbauer, der daraufhin den Löwen die kalte Schulter zeigt und zu Bayern wechselt. König ist schwer erkrankt, gratuliert via AZ aber zum 75. Geburtstag.
von  Thomas Becker
Die Hand, die Fußball-Geschichte geschrieben hat: 1958 ohrfeigt der Löwen-Verteidiger Gregor König den damaligen Spieler von SC 1906 München, Franz Beckenbauer. Der wechselt daraufhin zum FC Bayern, nicht zum TSV 1860. 2010 kommt es zum Friedensgipfel.
Die Hand, die Fußball-Geschichte geschrieben hat: 1958 ohrfeigt der Löwen-Verteidiger Gregor König den damaligen Spieler von SC 1906 München, Franz Beckenbauer. Der wechselt daraufhin zum FC Bayern, nicht zum TSV 1860. 2010 kommt es zum Friedensgipfel. © Matthias Becker/Allgäuer Zeitung

München - Der Watschn-Mann klingt matt. "König", meldet er sich müde am Telefon. Keine Spur von Schwung und Elan, so wie damals, als der König dem Kaiser eine langte. Die wohl berühmteste Watschn der Münchner Stadtgeschichte.

Lange her. Doch die Ohrfeige, die Löwen-Kicker Gerhard König damals dem ein Jahr jüngeren Franz Beckenbauer verabreichte, verfolgt ihn bis heute.

Fragen wie "was wäre wohl aus Beckenbauer geworden, wäre er wie geplant zu den Blauen statt den Roten gewechselt?" oder "müsste Beckenbauer ihm letztlich nicht sogar dankbar für die Fotzn sein?" beschäftigen Gerhard König jedoch weniger.

Gerhard König: "Ein paar Jahre hätt' ich schon noch ganz gern"

Er hat ganz andere Sorgen. Seinen 75. Geburtstag hatte König vor einem Jahr. Wie er den gefeiert hat? "Gar nicht", sagt er leise ins Telefon. Warum das denn, Herr König? "Mir geht's nicht so besonders."

Was ihm fehlt? "Ich hab' Lungenkrebs. Chemo-Therapie, schon zig Operationen. Oft bin ich wirr und matt." Seine Stimme klingt nun fester und lauter, der Frust ist nicht zu überhören: "Da macht man sein ganzes Leben lang Sport, und nix hat's geholfen gegen den blöden Krebs", schimpft er fast. Wieder ruhiger fügt er an: "Aber ein paar Jahre hätt' ich schon noch ganz gern."

Jugendturnier 1958 in Neubiberg: König ohrfeigt Beckenbauer

Die Geschichte vom Kaiser und dem König beginnt im Jahr 1958. Deutschland erlebt sein Wirtschaftswunder, Frankreich wählt Charles de Gaulle zum Präsidenten, auf Kuba gewinnen die Rebellen unter Fidel Castro die Schlacht von Santa Clara, und im April lässt sich der Schah Reza Pahlavi von seiner Frau Soraya scheiden, wegen Kinderlosigkeit.

Im selben Monat findet in Neubiberg ein Jugendturnier statt, eins der letzten der Saison. Auf dem Platz begegnen sich der 13-jährige König im Dress des TSV 1860 und der zwölfjährige Beckenbauer, der damals schon im siebten Jahr für den Giesinger Klub 1906 München kickte.

Neubiberg: Die Watschn, die womöglich die Fußballwelt verändert hat

Während Beckenbauer wie gewohnt den trickreichen Außenstürmer gab, half König nur aus: Der gelernte Torwart musste als Verteidiger ran. 2010, als der Bayerische Rundfunk die beiden zum 60. Geburtstag des Kaisers im Olympiastadion zusammenbrachte, berichtete König vom Tathergang: "Der Franz hat mich ausgespielt, ich habe ein Tackling gemacht, daraufhin gab ein Wort das andere, und ich habe ihm die Watschn gegeben."

Die Watschn, die womöglich die Fußballwelt verändert hat. Der Gewatschte ergänzte dann im Olympiastadion mit dem ihm eigenen Schmunzeln: "Ich war als Bub schon ein bisschen frech. Gut möglich, dass es von mir ein paar entsprechende Worte gegeben hat."

Dass 1906 damals 2:1 gegen die Löwen gewann, änderte nichts mehr an Beckenbauers Entschluss: 'Zu so einem Watschn-Verein gehe ich nie und nimmer!' Auch wenn der Klub beinahe vor seiner Giesinger Haustür lag und als die klare Nummer eins in der Stadt galt. Der Gewatschte ging stattdessen zum FC Bayern - der Rest ist Fußballgeschichte.

Gerhard König hatte schon mit 15 genug vom Fußball

Und Gerhard König? Der hatte schon mit 15 die Schnauze voll vom Fußball. Zehn Minuten kam er einmal zu spät zum Training und wurde prompt hinausexpediert. Nicht Fußball-Profi und gar Fußball-Lichtgestalt wie sein Ex-Gegenspieler wurde König, sondern Kunstschlosser. Er heiratete später nach Füssen und betrieb dort lange Jahre den Gasthof Adler.

Franz Beckenbauer (links) als Jugendspieler des SC 1906 München.
Franz Beckenbauer (links) als Jugendspieler des SC 1906 München.

Als Watschn-Mann hat er sich in all den Jahren nie geoutet. Warum? "Ich wollte es nicht publik machen, weil ich eine Gaststätte besaß und Angst davor hatte, dass mir Chaoten vielleicht die Bude kaputt hauen."

Löwen-Fans, die ihm nicht verziehen, dass er Beckenbauers Wechsel zu den Blauen verhindert hatte. Oder Bayern-Fans, die ihm nicht verziehen, dass er "ihren" Kaiser gewatscht hatte.

Gerhard König: Gaststätte ist dicht, eine Ferienwohnung vermietet er

Beim Friedensgipfel 2010 im Olympiastadion, dem ersten Wiedersehen nach 1958, sieht König noch fitter aus als der Kaiser.

Die Haare voll und braun, nicht so graumeliert wie das Beckenbauersche Resthaar. Brille trugen sie beide schon, König unter der Nase noch einen Schnauzbart mit nur ganz leichter Graufärbung.

Mit dabei: Königs damals sechsjähriger Enkel, ein glühender Bayern-Fan, der den Herrn Beckenbauer natürlich höchstens aus dem Fernsehen respektive von Youtube kannte.

Und heute? Die Gaststätte hat König schon länger aufgegeben, eine Ferienwohnung im schönen Allgäu kann man mittlerweile bei ihm mieten. Kontakt zu Beckenbauer habe er seit dem Treffen 2010 nicht mehr gehabt, sagt er, "aber wenn ich ihm hiermit zum Geburtstag gratulieren könnte, würde mich das sehr freuen. Also lieber Franz: Alles Gute! Mit den besten Grüßen!"

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