„Alles Alibi-Käse!“ Wie schmeckt das den Bayern?

Sammer attackiert nach dem glanzlosen 2:0 gegen Hannover die Spieler: „Ohne Emotion! Dienst nach Vorschrift! Scheinwelt!“ Der Wutanfall des Sportvorstands in der AZ-Analyse.
von  Patrick Strasser

Sammer attackiert nach dem glanzlosen 2:0 gegen Hannover die Spieler: „Ohne Emotion! Dienst nach Vorschrift! Scheinwelt!“ Der Wutanfall des Sportvorstands in der AZ-Analyse

München - Vielleicht hatten sich die Bayern-Bosse ja diesmal abgesprochen. Nach dem 2:0 gegen Hannover verzichtete Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf ein Statement. Präsident Uli Hoeneß, angeschlagen durch die Steueraffäre, hat sich selbst einen Attacke-Maulkorb auferlegt.
„Wir müssen sofort Vollgas geben“, hatte Hoeneß den Profis unter der Woche ausgerichtet. Was eher dezent daherkam. Er sieht die Gefahr, „dass wir uns einlullen lassen, etwa von nicht so namhaften Gegnern.“ Geht nicht. Das haben die Spieler mittlerweile selbst übernommen. Und die Abteilung Vollgas: Matthias Sammer, der Bedenkenvorstand.

Als Sammer aus der Kabine kam und vor die Mikrofone schritt, hatte er sich etwas zurechtgelegt. Wehret den Anfängen? Welchen Anfängen? Für Sammer sind die Bayern mittendrin in der Motivationskrise, der Leistungsknick ist längst da. „Alles Alibi-Käse!“, schimpfte Sammer über Entschuldigungen für den müden Kick gegen Hannover, der nur durch zwei Einzelaktionen im Stile des alten Triple-Glanzes entschieden wurde.

Die AZ erklärt den Auftritt des Bayern-Scharfmachers anhand seiner Vorwürfe. Wen meint Sammer? Was will er damit erreichen?

"Wir spielen zum Teil lethargisch ohne Emotion Fußball, machen Dienst nach Vorschrift!“
Stimmt. Ohne rechten Schwung, ohne Inspiration kickten die Bayern in der ersten Halbzeit gegen Hannover vor sich hin, meist mit Ball, klar: Ballbesitzfußball, schön herum um den Strafraum. Die Länderspielpause wurde hinterher angeführt, die Müdigkeit nach all den Reisen. Vorbei sind die Zeiten der Gala-Siege der Rückrunde, die Mannschaft gibt sich mit Arbeitssiegen wie am Samstag zufrieden. Hauptsache drei Punkte.

„Wir müssen raus aus einer gewissen Komfortzone und uns gegenseitig mitreißen!“
Für Sammer haben sich einige Stars wegen des fehlenden Konkurrenzkampfes (Martínez, Thiago, Götze sind verletzt, Schweinsteiger fehlte erneut) zu sehr auf Lorbeeren des Triple-Triumphes ausgeruht, da sie ihren Stammplatz sicher haben. Wen wohl Sammer meint? Etwa Müller und Kroos, die nicht überzeugen wie Ribéry/Robben? Auch Dante hat noch nicht die Form der Vorsaison.

„Wir haben fünf Titel in den letzten 14 Monaten geholt. Franck Ribéry ist Europas Fußballer des Jahres. Vielleicht kriegen wir den auch noch zum Weltfußballer. Das ist so eine Scheinwelt.“
Aus Sicht des Sportvorstands hat man sich im Verein und im Umfeld zu sehr auf Nebenschauplätze, etwa Ribérys Wahl samt Stimmungsmache dafür, konzentriert. Und daher den Blick aufs Wesentliche, die Entwicklung der Mannschaft, vernachlässigt. Was Sammer nicht auf Trainer Pep Guardiola münzt – er meint den Grundtenor.

„Wir verstecken uns hinter dem Trainer! Pep hin, Pep her, Pep hoch, Pep runter – dafür kann er nichts. Aber dadurch fühlen sich alle etwas weniger in der Verantwortung.“
Ganz klar: Sammer will die Spieler ermahnen, sich kein Alibi zu schaffen, falls es Pleiten gibt. Er möchte den Trainer schützen, der – auch mangels besserer Sprachkenntnisse – in der Öffentlichkeit die Rolle des Mahners (noch) nicht übernehmen kann oder nicht will.

„Unser Trainer muss jedes Mal eine Brandrede halten, dass wir in die Gänge kommen. So geht das nicht!“
Die Aussage zeigt: Guardiola kämpft, wie schon beim Supercup gegen Chelsea, in der Kabine gegen Lethargie und Selbstgefälligkeit an. Sammer springt ihm zur Seite, um zu verdeutlichen, dass der Coach nicht tatenlos zusieht. Doch hilft er ihm damit wirklich? Zudem ist fraglich, wie Sammers Schimpftirade im Verein generell ankommt.

Bayern liegt aktuell in der Tabelle zwei Punkte hinter Dortmund. Für Sammer zwei zu viel.

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