Alarm bei Bayern – Mainz Meister? „Warum nicht“

MÜNCHEN - Es brodelt beim FC Bayern, „die Alarmglocken gehen an“. 1:2 gegen Mainz, 10 Punkte Rückstand, das reicht den Bossen. Van Gaal ernennt die Mainzer Seriensieger zum Titelkandidaten, doch diese wehren sich gegen neue Ziele. „Mastermind“ Tuchel findet „alles surreal“.
Beim FC Bayern schlagen die Bosse Alarm, die rotzfrechen „Mainzelmännchen“ haben auch den Meister aufgemischt. Während Karl-Heinz-Rummenigge nach der 1:2 (1:1)-Pleite an seinem 55. Geburtstag verärgert „eine andere Gangart“ der Münchner Profis forderte, rief Louis van Gaal die Überflieger des FSV Mainz 05 zum Schrecken des neben ihm sitzenden Kollegen Thomas Tuchel offiziell als Titelkandidaten aus: „Es ist noch ein langer Weg, aber ich traue auch dieser Mannschaft viel zu. Sie können Meister werden. Kaiserslautern hat das auch mal geleistet. Warum Mainz nicht?“
Dem landesweit bestaunten Fußball-Spaßmacher Tuchel fehlten nach dem Husarenstück in München „spontan die Worte“. Bei van Gaals Zugeständnis der Titelreife winkte er sofort ab: „Wir fühlen uns jetzt nicht größer als wir sind.“ Nach 18 Punkten mahnt der 37- Jährige zur Bodenhaftung, auch wenn sie zunehmend schwerfällt. „Es ist außergewöhnlich, nach fünf Siegen in München den sechsten zu erzielen“, sagte Tuchel im Glücksrausch: „Das ist alles surreal.“
Meisterschaft, Champions League, Europa League – auf eine Formulierung neuer Saisonziele mag sich bei den Mainzern partout keiner einlassen. „Warum sollten wir neue Ziele stecken? Was soll das? Wir genießen den Moment“, sagte Christian Heidel. Naja, mit dem Abstieg rechne man nicht mehr, fügte der Manager scherzend hinzu. Mit einem siebten Sieg am kommenden Samstag im Heimspiel gegen Hoffenheim würden die Mainzer schon mal den Bundesliga-Startrekord von Bayern (Saison 1995/96) und Kaiserslautern (2001/02) egalisieren.
Mainz feiert Karneval im Herbst – bei den Bayern wird zur feucht-fröhlichen Wiesn-Zeit der Ton rauer. „Langsam gehen die Alarmglocken an“, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. Zehn Punkte Rückstand auf Mainz und sieben auf den nächsten Auswärtsgegner Borussia Dortmund seien „heftig“. Noch mehr als die „prekäre“ Tabellensituation erzürnte die Bosse die „desolate Leistung“ (Nerlinger) im Topspiel. „Wir haben mit eines der schlechtesten Spiele gemacht unter diesem Trainer“, gestand Miroslav Klose.
Rummenigge ging mit den Profis hart ins Gericht, rügte die Berufseinstellung: „Leidenschaft, Laufbereitschaft, Aggressivität - das haben wir alles vermissen lassen.“ Die Mainzer Arbeitstiere machten es den fehlerhaften Münchnern vor 69 000 Zuschauern vor, auch beim Toreschießen: Adam Szalai sorgte in der 77. Spielminute mit einem Traumtor aus der Drehung für den „Lucky Punch“, wie Tuchel entzückt kommentierte. Zuvor hatte Sami Allagui mit der Hacke getroffen (15.). Das 1:1 für die Bayern erzielte auch ein Mainzer; Verteidiger Bo Svensson unglücklich aus 25 Metern per Kopf (45.).
„Zu viele Spieler waren unter ihrer Normalform“, klagte van Gaal. Die verletzten Turbo-Dribbler Arjen Robben und Franck Ribéry fehlten an allen Ecken und Enden. „Sie sind elementar wichtige Spieler. Aber die Mannschaft, die auf dem Platz stand, sollte Mainz schlagen können“, erklärte Nerlinger, der Gefahr wittert: „Ich sehe es als gesamtmannschaftliches Problem, wie wir uns präsentieren.“
Rummenigge nahm den vor der Vertragsverlängerung stehenden Trainer ausdrücklich von Kritik aus. „Er macht tagtäglich einen Super-Job.“ Dafür nahm der Vorstandsboss „exklusiv“ die Mannschaft in die Pflicht. Schon am Dienstag im Champions-League-Spiel beim FC Basel verlangt er eine Reaktion: „Wir müssen die Dinge korrigieren, weil mit so einer solchen Leistung kann man in der Champions League nicht bestehen – und auch in der Bundesliga nicht.“ An Platz eins oder die Titelverteidigung sei vorerst nicht mehr zu denken. „Es nützt jetzt nichts, mit dem Fernrohr nach oben zu schauen“, meinte Nerlinger.
Tuchels mutiger „Matchplan“ mit Pressing schon in der Münchner Hälfte ging optimal auf. „Die Bayern haben kein Rezept gegen uns gefunden“, frohlockte André Schürrle, der Vorbereiter des Siegtores von Szalai, der im Mainzer Höhenflug kein Wunder sieht. „Das ist alles kein Zufall. Wir machen das, was uns der Trainer vorgibt.“ Und „Mastermind“ Tuchel macht alles richtig, angefangen mit der wiederum auf fünf (!) Positionen veränderten Startelf. Mainz habe „mit einer Handschrift gespielt“, adelte van Gaal seinen Trainer-Kollegen.
Der wie üblich hohe Ballbesitz (64 Prozent) der Bayern verpuffte, fünf Tore in sechs Spielen sind Liga-Minuswert. Klose, Olic, Gomez - vorne steht beim Meister die Null. „Von den Bayern-Stürmern war man immer gewohnt, dass sie viele Tore erzielen“, sagte Rummenigge ratlos. Es wird stürmisch in München, allerdings mahnte Kapitän Mark van Bommel zur Ruhe. Aktionismus, „mit der Faust auf den Tisch hauen“, gegenseitige Schuldzuweisungen – „das ist Schmarrn“.
dpa