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Abstiegsangst beim FC Bayern: Als Uli Hoeneß die Panik packt

Teil VII der AZ-Serie zu den Krisenjahren des FC Bayern: 1992 geraten die Münchner zwischenzeitlich in akute Abstiegsgefahr – und Manager Uli Hoeneß lässt sich zu gleich zwei Kurzschluss-Reaktionen hinreißen.
von  Patrick Strasser
Ob Uli Hoeneß (2.v.l.) da schon wusste, was passieren würde? Im Oktober 1992 entlässt er Trainer Jupp Heynckes und wird hinterher zugeben: "die größte Fehlentscheidung meiner Laufbahn".
Ob Uli Hoeneß (2.v.l.) da schon wusste, was passieren würde? Im Oktober 1992 entlässt er Trainer Jupp Heynckes und wird hinterher zugeben: "die größte Fehlentscheidung meiner Laufbahn". © imago

München - Trainer Jupp Heynckes geht in seine fünfte Saison, muss aber die gesamte Abwehr umbauen. Jürgen Kohler und Stefan Reuter folgen dem Lockruf des Geldes und gehen in die italienische Serie A zu Juventus Turin.

Der 33 Jahre alte Libero Klaus Augenthaler beendet seine Karriere, damit fehlt von nun an der Kapitän, zugleich das bayerische Urgestein und die Leitfigur. "Es war kein Gerippe mehr da", klagt Heynckes im Rückblick, "es fand ein negativer Umbruch statt."

Ablöserekord von 15 Millionen Mark: Der FC Bayern holt Jan Wouters

Es sollten noch ganz andere Probleme auftreten in der neben 1977/78 wohl schlimmsten Saison der sonst ruhmreichen bajuwarischen Klubhistorie.

Vorgeschichte/Ausgangslage: Mit Stürmer Mazinho verpflichtet man den ersten Brasilianer der Vereinsgeschichte. Im Ablösepaket mit drin: Ein Mittelfeldspieler namens Bernardo, der zum Totalflop wird. Ebenso wie Thomas Berthold, der von der AS Rom geholt wird. Sinnvoller sind die Transfers von Mittelstürmer Bruno Labbadia und Innenverteidiger Oliver Kreuzer sowie von Routinier Jan Wouters von Ajax Amsterdam.

Der niederländische Mittelfeld-Abräumer, eine Art van Bommel der frühen 90er Jahre, wird am 1. November verpflichtet, als die Krise bereits ihren Lauf genommen hat. Die Roten investiert 15 Millionen Mark – neuer Rekord für den FC Bayern.

FC Bayern verpatzt den Saisonstart: Fans fordern Entlassung von Trainer Jupp Heynckes

Saisonverlauf/Titel-Ausbeute: Die Pokalpleiten der letzten Jahre setzen sich fort, diesmal blamiert man sich Mitte August in der zweiten Runde mit einem 2:4 nach Verlängerung im Olympiastadion gegen Zweitligist FC Homburg.

Erste Fans fordern lautstark den Rauswurf von Trainer Heynckes. Zudem verliert Bayern die Heimspiele gegen Hansa Rostock (1:2), das erste Liga-Duell mit einem Klub aus der ehemaligen DDR, und gegen den VfL Bochum (0:2). Der Münchner Spätsommer gerät an der Säbener Straße zur Herbst-Depression.

Verletzungspech im FC-Bayern-Tor: Toni Schumacher kommt 

Viel Pech ist auch dabei: Neben Stürmer Brian Laudrup zieht sich auch Torwart Raimond Aumann einen Kreuzbandriss zu, wird – weil auch Stellvertreter Sven Scheuer verletzt ist – zunächst vom gebürtigen Münchner Gerald Hillringhaus ersetzt, der ab Ende August für acht Ligaspiele im Tor steht.

Weil man davon nur eine Partie gewinnt, holen die Bayern auf Initiative von Aumann (!) den 37 Jahre alten früheren Nationaltorhüter Toni Schumacher an die Säbener Straße. Der Kölsche Jung hat eigentlich seine Karriere im Sommer bei Fenerbahce Istanbul beendet. Nach dem schlimmen 1:4 gegen Aufsteiger Stuttgarter Kickers am 5. Oktober ist Bayern nur noch Zwölfter – Abstiegsangst kommt auf. Und Panik bei Manager Uli Hoeneß. Er entlässt seinen Freund Heynckes. "Die größte Fehlentscheidung meiner Laufbahn", sagt Hoeneß später.

Uli Hoeneß (li.) holt Sören Lerby (re.) als Heynckes-Nachfolger. Doch unter dem Dänen will es partout nicht aufwärts gehen...
Uli Hoeneß (li.) holt Sören Lerby (re.) als Heynckes-Nachfolger. Doch unter dem Dänen will es partout nicht aufwärts gehen... © imago

Kurzschlussreaktionen bei Uli Hoeneß: Sören Lerby wird Trainer beim FC Bayern

Kurzschlussreaktion Nummer zwei: Der überforderte Däne Sören Lerby, erst 33 Jahre jung und ohne Trainererfahrung sowie Trainerlizenz, wird überraschend Heynckes' Nachfolger. Stallgeruch hat der ehemalige Mittelfeldspieler, aber keinen Plan. Die Bayern taumeln von einer Pleite zur nächsten Enttäuschung, scheitern in der zweiten Runde des Uefa-Cups an B1903 Kopenhagen (2:6/1:0).

Hoeneß verpasst den Spielern ein Ausgehverbot ab 23 Uhr, setzt Privatdetektive auf sie an. Am 7. März 1992 wird der viel zu weiche Lerby nach dem 0:4 beim 1. FC Kaiserslautern entlassen.

. . . dafür dann mit Sir Erich Ribbeck (l.), den der Bayern-Manager aus VIP-Betreuung holt und der dann den Klassenerhalt mit dem Team schafft.
. . . dafür dann mit Sir Erich Ribbeck (l.), den der Bayern-Manager aus VIP-Betreuung holt und der dann den Klassenerhalt mit dem Team schafft. © imago images / WEREK

Nachfolger und damit dritter Trainer der Saison wird Erich Ribbeck, der für Opel, Bayerns Hauptsponsor, im Olympiastadion VIPs betreut. Ribbeck schafft den Klassenerhalt – nach 38 Spieltagen und sieben Heimniederlagen trudelt man auf einem peinlichen Platz zehn ein, nur fünf Punkte (es galt noch die Zwei-Punkte-Regel) vor dem Tabellen-17. Auweia!

Beckenbauer, Rummenigge und Müller kommen zum FC Bayern zurück

Lehren/Konsequenzen: Ribbeck darf nach fünf Siegen in elf Spielen bleiben. Präsident Fritz Scherer kann die Ex-Spieler und Vereinsikonen Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge überzeugen, als Vize-Präsidenten einzusteigen, im November 1991 werden sie auf der Mitgliederversammlung in ihre Ämter gewählt. Stürmer-Legende Gerd Müller erhält einen Job als Spiel- und Spielerbeobachter.

Nach der Horror-Saison wird eingekauft: Für Thomas Helmer, Mehmet Scholl, den Brasilianer Jorginho und Lothar Matthäus, der sensationell von Inter Mailand zurückgeholt wird, gibt Bayern 23,5 Millionen Mark aus. Immerhin reicht es 1992/93 zur Vize-Meisterschaft, es geht leicht bergauf. Der Trend stimmt, 1994 wird man wieder Meister.

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