180 Grad! Heynckes hat's gedreht
München - Die halbe Nacht hatten sich die Bayern-Bosse um die Ohren gehauen. Nach der Rückkehr an der Säbener Straße debattiert, gerätselt, gehofft. Um dann nach dem desaströsen 1:3 bei Hannover 96 am 5. März diesen Jahres (inklusive Krafts Patzer, mit der Roten Karte für Breno und hanebüchenem Offensivspiel) zu entscheiden: Ja, mir machen weiter mit Louis van Gaal, zunächst bis Saisonende. Eine Fehlentscheidung. Vier Spieltage später wurde der Holländer nach einem 1:1 in Nürnberg entlassen.
Doch der Hannover-Schock war der Anfang vom Ende. Ein halbes Jahr später „ruht der FC Bayern derzeit in sich selbst”, wie Präsident Uli Hoeneß sagte. Trainer Jupp Heynckes hat Verein und Mannschaft geradezu in einen buddhistischen Zustand geführt. Schöner spielen, cooler siegen! Die Lehren des 66-Jährigen, der laut Ehrenpräsident Franz Beckenbauer ein „jugendlicher Trainer, ein wahrer Jungbrunnen” ist, haben gefruchtet. Es ist, als lägen Jahre zwischen dem aktuellen Zustand der Mannschaft und der Zickzack-Form des Frühjahrs. „Ja, so schnell kann es gehen”, sagte Kapitän Philipp Lahm vor dem Duell am Sonntag in Hannover (17.30 Uhr, live bei Sky und Liga total!) zur AZ, „man muss hart arbeiten, das tun wir. Und man sieht, dass es gar nicht viel gebraucht hat, alles zu drehen. Heynckes hat die Balance zwischen Defensive und Offensive sehr gut hinbekommen. Es wird schwer, uns zu schlagen.”
Stabiler sind sie geworden, beinahe unbezwingbar. Dank Neuer, Boateng. Und dem Schachzug, Lahm auf links zu ziehen. „Die Kunst im Fußball ist es auch, im richtigen Moment die richtigen Leute zu verpflichten”, sagte Beckenbauer, „man hat erkannt, mit der damaligen Abwehr wirst du immer Probleme haben. So viele Tore kannst du vorne gar nicht schießen, wie du hinten reinbekommst. Das ist jetzt anders. Jetzt ist die Abwehr stabil, dadurch spielst du viel ruhiger. Aber auch risikoreicher nach vorne, weil du weißt, hinten passiert nichts.” Ein halbes Jahr, eine andere Welt.
Hannover ist der schwerste Prüfstein der kommenden Wochen. Das Richtungs-Zappen, also das Umschalten von Defensive auf Offensive und umgekehrt, beherrscht kaum eine Mannschaft so wie 96. In diese Falle sind die Gaal-Bayern im März getappt. „Da hat Bayern verdient verloren”, urteile Heynckes. „Hannover ist eine unbequeme Mannschaft. Es wird ein schwieriges, unangenehmes Spiel. Aber wir sind gut in Schuss.”
Und die Niedersachsen mutig wie lange kein Bayern-Gegner in der Liga. Wo sonst Respekt bis Angst vorherrschte, sind forsche Töne zu vernehmen. „Am Sonntag werden wir die nötige Frische haben”, sagte Verteidiger Christian Schulz, „es kommt die Bayern-Motivation hinzu, die ganze Stadt steht Kopf.” 96-Kapitän Steven Cherundolo meinte: „Wir haben bewiesen, dass wir die Bayern schlagen können, der viele Ballbesitz der Bayern kommt uns entgegen.” Trainer Mirko Slomka glaubt: „Eigentlich sind die Bayern absolut übermächtig, aber haben auch schon Dortmund und Bremen geschlagen. Das geht jeden Gegner mit der passenden Taktik, das haben wir auch aus dem Sieg im März gegen die Bayern mitgenommen.”