139 Jahre Erfahrung

München - Dinos unter sich: Wenn der FC Bayern am Samstag bei der Hertha antritt, treffen die dienstältesten Trainer der Liga aufeinander. Jupp Heynckes (66), am Freitag mit Grippe im Bett, wird zum 600. Mal als Bundesligatrainer auf der Bank sitzen, und Otto Rehhagel wird auch nach diesem Spiel seinen zweiten Platz in der Liste der ältesten Bundesligatrainer behalten: Mit 73 Jahren und 184 Tagen begann er bei Hertha; Fred Schulz war bei Werder auf den Tag genau ein Jahr älter, als er am 29. April 1978 lostrainierte. Heynckes rangiert in dieser Liste auf Rang sieben. Was das Duo, das gemeinsam 139 Jahre Erfahrung verkörpern, verbindet – und was es trennt:
Kicker-Karriere: Klarer Punktsieg für Heynckes. Er hat als Spieler und Trainer öfter gewonnen als jeder andere in der Liga. Seine Karriere begann 1965 mit einem 1:1 bei Borussia Neunkirchen. Schon im zweiten Spiel, gegen Tasmania Berlin, gelangen ihm zwei Treffer. 218 Bundesliga-Tore in 369 Spielen sollten folgen – nur Gerd Müller traf öfter. Heynckes wurde Welt- und Europameister, Uefa-Pokal-Sieger, deutscher Meister und Pokalsieger und Torschützenkönig. Ganz anders Rehhagel: Der Verteidiger, Marke Eisenfuß, kämpfte sich von Liga vier in die Bundesliga, brachte es dort auf 201 Einsätze, 22 Tore – und null Titel.
Trainer-Karriere: Wieder Vorteil Heynckes: mehrmals deutscher Meister mit Bayern, Champions-League-Sieger mit Real Madrid, UI-Cup-Sieger mit Schalke. Rehhagel wurde mit Bremen zwei Mal Meister und 2004 mit Griechenland Europameister – die größte Überraschung seit Erfindung des Balls. Ein Titel mit dem FC Bayern blieb ihm verwehrt: vier Tage vor dem Hinspiel des Uefa-Pokal-Finales wurde er 1996, nach nicht einmal einer Saison, gefeuert. Den Pott stemmte dann Franz Beckenbauer in die Höhe.
Freunde: Neben Schäferhund Cando ist bei Heynckes vor allem Uli Hoeneß zu nennen. 1972 und 1974 wurden sie gemeinsam Welt- und Europameister. 1991 bezeichnete Hoeneß es als den „größten Fehler seines Lebens”, Jupp als Trainer entlassen zu haben – 20 Jahre später arbeitet man nun wieder zusammen. Kunstfreund Rehhagel umgibt sich samt Gattin Beate seit Jahr und Tag mit Größen aus Kultur und Politik, erzählt gern, dass er mit dem Außenminister speist, schwärmt von Kumpel Jürgen Flimm, dem Intendanten der Staatsoper in Berlin, und wählt am Sonntag für die CDU den Bundespräsidenten. Seit dem EM-Triumph ist er Ehrenbürger Athens, Träger des Verdienstordens und Gewinner des Walther-Bensemann-Preises der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur.
Sprüche: Bei Heynckes: Fehlanzeige. Nix. Nada. Tote Hose. Bei Rehhagel: Wo anfangen? Der Mann ist eine Sprücheschleuder. Beispiel? „Ich bin ein erfahrener Cowboy – mir pinkelt keiner in die Satteltasche.” Auch schön: „Wenn ich ein paar Spiele verliere, lassen die Leute an den Blumen, die sie mir zuwerfen, plötzlich die Töpfe dran.” Oder: „Wir spielen am besten, wenn der Gegner nicht da ist.” Oder: „Jeder kann sagen, was ich will.” Oder: „Ich muss von jedem Spieler in Europa wissen, was für ein Duftwasser er benutzt.” Undsoweiter.
Neuzeit: Kennt der alte Grieche Rehakles nur vom Hörensagen. Er sagt: „Modern ist, wer gewinnt.” Und wenn er sich über den so genannten modernen Fußball informieren will, fragt er Jens, seinen Sohn. Der ist promovierter Sportwissenschaftler. Da ist Heynckes schon eher im Hier und Jetzt angekommen. Vergangenen Sommer überraschte er mit einer Expertise zur Hitparade: „Rihanna finde ich gut. Und auch Lady Gaga. Die ist verrückt. Aber das ist ja heute angesagt.” Außer natürlich bei Otto.