Experten-Tipps: Verletzungsfrei durch den Winter
Endlich! Der Schnee liegt auf den Pisten. Passionierte Wintersportler können es kaum erwarten, den Berg hinunter zu brettern. Nicht immer geht der Ski- oder Snowboard-Ausflug aber glimpflich aus. In der letzten Saison mussten 39 000 Deutsche danach ärztlich behandelt werden. Bis zu 6700 von ihnen mussten sogar stationär bleiben, so die Unfallanalyse der Auswertungsstelle für Skiunfälle (ASU).
Der Münchner Orthopäde Dr. Peter Diehl vom Orthopädiezentrum München Ost, der früher selbst Skilehrer war, erklärt, warum es auf der Piste so oft zu Unfällen kommt, welche Verletzungen am häufigsten sind und wie Sportler vor und auch während des Pistenspaßes Unfällen vorbeugen können:
Warum ist es auf der Piste so gefährlich? Dafür gibt es laut Diehl drei Hauptgründe: die hohe Geschwindigkeit mancher Sportler, zunehmend mehr Menschen auf den Pisten und harter Kunstschnee.
Mit den neuen Carving-Skiern ist eine deutlich höhere Geschwindigkeit möglich, sagt Diehl. Stürzt man damit oder rast man mit einem anderen Sportler zusammen, verletzt man sich schneller und stärker.
Zudem sind mittlerweile deutlich mehr Wintersportler auf den Pisten unterwegs. Vor 15 Jahren gab es Schlepplifte für zwei Personen. Heute könnten mit den Liften sechs oder acht Leute nach oben gebracht werden. Je mehr Sportler unterwegs sind, desto mehr steigt auch das Risiko für Unfälle, so die Rechnung des Experten. Die ASU-Analyse zeigt: 17 Prozent der Verletzungen waren im letzten Winter auf Kollisionen zurückzuführen.
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Dazu kommt laut Diehl, dass die präparierten Pisten und der Kunstschnee härter sind als natürlicher Schnee. Dadurch fallen Stürze schnell schwerwiegender aus.
Über die Hälfte der Verletzungen sind am Knie oder Schulter
Was sind die häufigsten Verletzungen auf der Piste?
Am häufigsten verletzten sich Sportler im Bereich des Knies, sagt Diehl. Es kommt häufig zu Knorpel-Verletzungen, aber auch zum Reißen der Kreuzbänder. Diese sind dafür verantwortlich, dass das Knie gedreht und gebeugt werden kann. Die vorderen und hinteren Bänder verbinden Ober- und Unterschenkel. Zu einem Riss kommt es, wenn sie gegeneinander verdreht werden – sprich ein Teil in gerader Position bleibt, der andere entgegendreht.
Auch die Zahlen der Unfallanalyse für das vergangene Jahr bestätigen dies: Die Schäden am Knie bleiben „weiter auf zu hohem Niveau“, so die ASU. Das Risiko liegt demnach bei 3,77 auf 1000 Skifahrer. Vor allem Frauen seien betroffen. Knapp 50 Prozent aller Verletzten haben sich am Knie wehgetan. Diese Zahl ist für die ASU „alarmierend hoch“. Insgesamt waren 34,2 Prozent aller Verletzungen am Knie.
Konstant sind die Verletzungen an der Schulter geblieben (20,2). Verletzungen am Kopf haben leicht zugenommen.
Was macht das Knie so anfällig? Wegen der Taillierung der modernen Carving-Skier verkanten diese eher. Der Schwachpunkt dabei sind dann als erstes das Knie und die Bänder, erklärt Diehl. Aber auch aus dem Stand und mit niedrigen Geschwindigkeiten passieren viele Verletzungen am Knie, weil dann die Bindung der Skier nicht öffnet: Wer also aus dem Sessellift aussteigt und dabei verkantet – etwa, weil vor einem ein Stau entstanden ist und man ausweichen muss, stürzt und bleibt fest im Ski.
Wann darf man das Knie wieder belasten? Die Genesung kann drei bis sechs Monate dauern. Krafttraining und Krankengymnastik stehen währenddessen auf der Tagesordnung. „Das operierte Kreuzband ist in der siebten Woche der Rehabilitation am instabilsten“, sagt die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention. Vielen Patienten sei das nicht klar: Sie belasten das Knie zu früh. „Wer sein Kniegelenk wieder stärker beanspruchen möchte, sollte das vorher mit dem Arzt klären.“ Diehl sagt: Die vollständige Genesung kann bis zu einem Jahr dauern.
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Wo trifft es vor allem ältere Sportler? Bei älteren Patienten nimmt die Knochendichte ab, bei ihnen kommen häufiger auch Brüche vor. Fällt beispielsweise eine Frau mit 60 Jahren auf die Hüfte, könne es vorkommen, dass sie sich dadurch den Oberschenkelhals bricht. Vor allem nach der Meno-Pause nimmt bei Frauen das Osteoporose-Risiko zu. Bei einem 30-Jährigen dagegen ist bei einem solchen Sturz eine Prellung wahrscheinlicher.
Welche Sportart auf der Piste ist ungefährlich? Deutlich geringer ist die Verletzungsgefahr beim Langlaufen. Man ist langsamer unterwegs und auch die Gefahr, dass man mit jemandem zusammenstößt, ist geringer. „Da kann eigentlich nicht viel passieren“, sagt Diehl. Er hatte aber auch schon Fälle, bei denen sich Langläufer verletzt haben. Und zwar waren dies meist Verletzungen an den Fingern, da sie beim Sturz noch die Hände in den Stöcken hatten und sie nicht rechtzeitig lösen konnten.
Vorbeugen: Den Körper fit machen
Drei Mal die Woche trainieren
Sowohl die Ausdauer als auch die Muskeln, besonders der Beine und des Rumpfs, müssen vorbereitet werden.
Gute Vorbereitung: Wichtig ist laut dem Münchner Experten Dr. Peter Diehl, sich auf den Wintersport einzustellen – und zwar mit Skigymnastik. Man sollte etwa acht Wochen vor dem geplanten Ausflug auf die Piste damit beginnen – und zwar zwei Mal die Woche.
Ausdauer stärken: Das ist laut der Stiftung Sicherheit im Sport besonders wichtig, um körperlichen Belastungen im Wintersport besser standzuhalten. Empfohlen wird Joggen, Walken oder Radfahren. Wichtig dabei: Die Belastungen sollten variiert werden – etwa mit einer hügeligen Trainingsstrecke, unterschiedlichem Tempo oder indem man kurze steile Anstiege mit dem Fußballen läuft – das trainiert die Waden.
Muskeltraining: Immer trainiert werden sollten die Bein- und Rumpfmuskulatur. Jede Übung sollte zwei bis drei Mal wiederholt werden, jeweils zehn bis 40 Sekunden. Pro Woche sollte drei Mal 15 bis 20 Minuten geübt werden. l
Beispielübung: Wichtig ist, dass die Übungen der Bewegung beim Skifahren ähnlich sind: Als Beispielübung nennt die Stiftung etwa die Abfahrtshocke im Trockenen nachzuahmen: Füße schulterbreit, Knie 90 Grad gebeugt, Ellbogen vor die Knie, Fußsohle belasten, bis die Oberschenkel brennen. Weitere Übungen finden sich im Internet auf der Seite der Stiftung unter www.sicherheitimsport.de.
Vorher die Ausrüstung checken
Von der Bindung bis zur Brille
Am besten bringt man vor dem Urlaub die Skier samt Schuhen zur Überprüfung zu einem Fachhändler.
Bevor man auf die Skier steigt, sollte man seine Ausrüstung überprüfen. Denn ist die nicht mehr auf dem besten Stand, kann das ebenfalls zu Unfällen führen. Der Deutsche Skiverband rät folgende Punkte zu beachten:
Bindung: Die Bindung muss richtig eingestellt sein, damit sie korrekt auslöst und so vor möglichen Verletzungen schützen kann. Am besten lässt man vor dem Skiurlaub einen Fachhändler die Bindung überprüfen – er braucht dafür neben den Ski aber auch beide Skischuhe.
Ski: Die Skier brauchen scharfe Kanten und gewachste Beläge. Während des Skiurlaubs helfen Flüssigwachs und Schleifgummis.
Kleidung: Passt noch alles, haben die Sachen Löcher oder andere Mängel? Auch das prüfen Skifahrer vor dem Urlaub. Damit die Kleidung gut vor Nässe schützt, ist vielleicht ein erneutes Imprägnieren sinnvoll.
Helm und Brille: Der Helm darf keine Mängel haben, sonst schützt er im Notfall nicht richtig. Und die Brille prüft man vorher noch einmal auf Sprünge und Kratzer – sie können die Sicht behindern.
Vor dem Pistenspass
Zehn Minuten aufwärmen
Wer müde wird, sollte frühzeitig aufhören. Die meisten Unfälle passieren bei der letzten Abfahrt.
Aufwärmen: Die Temperaturen sind eisig, man sitzt lange im Lift – dann endlich kann man loslegen. Aber noch nicht sofort, rät der Orthopäde Diehl Aufwärmen und dehnen – das ist für die Ober- und Unterschenkel-Muskulatur wichtig. Rund zehn Minuten reichen aus. Zum Beispiel im Stehen versuchen, mit den Händen zu den Füßen zu fassen. Die vorderen Oberschenkel dehnt man, indem man in die Hocke geht und wieder aufsteht.
Nicht gleich Vollgas: „Nicht gleich die schwarze Abfahrt, sondern erst einmal die blaue oder rote“, empfiehlt Diehl. So kann sich der Körper auf die Belastung einstellen.
Früh genug aufhören: Konzentration ist wichtig. „Wenn die Fahrer merken, dass sie müde werden, sollten sie frühzeitig aufhören“, so Diehl. „Die meisten Verletzungen passieren, wenn die Leute ermüdet sind.“ Dann wird die Reaktionszeit schlechter, die Unfallgefahr steigt. Die meisten Stürze passierten bei der letzten Abfahrt.
Fahrt anpassen: Wer sich unsicher fühlt, erreicht mit breitbeinigem Fahren mehr Sicherheit.
Essen: Das Frühstück sollte leicht verdaulich, fettarm und energiereich sein. Etwa ein vollwertiges Müsli, Vollkornbrot und Eiweißprodukte wie Milch oder Joghurt. Statt zu fettreichen Angebote greifen Skifahrer beim Mittagessen besser auf etwas Vollwertiges zurück, wie einen Salat mit Putenbrust, eine Suppe oder eine Brotplatte. Besser als eine große Mahlzeit sind kleine Snacks – etwa Obst und Sportriegel.
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