Exklusiv-Interview mit Wladimir Klitschko: Sein sehnlichster Wunsch

Exklusiv in der AZ spricht die Box-Ikone über das Weihnachtsfest, Onkel Frost, warum er Wunschzettel aß und wovon er mehr will.
von  Matthias Kerber
Anthony Joshua (l.) und Wladimir Klitschko bei der offizellen Pressekonferenz vor dem Kampf. "Dieser Kampf ist einer, der meine Karriere definieren wird", sagt der Ukrainer.
Anthony Joshua (l.) und Wladimir Klitschko bei der offizellen Pressekonferenz vor dem Kampf. "Dieser Kampf ist einer, der meine Karriere definieren wird", sagt der Ukrainer. © dpa

München - Die AZ hat mit Boxer Wladimir Klitschko gesprochen. Der 40-Jährige dominierte fast zehn Jahre das Schwergewicht, ehe er im November 2015 seine WM-Titel sensationell an Tyson Fury verlor. Am 29. April kämpft er nun gegen den britischen Olympiasieger Anthony Joshua erneut um den Box-Thron.

AZ: Herr Klitschko, die Weihnachtszeit steht an, Sie haben sich vorab beschenkt mit Ihrem Titelkampf gegen Weltmeister Anthony Joshua, der am 29. April vor 90.000 Zuschauern im Wembley-Stadion steigen wird.

WLADIMIR KLITSCHKO: Das ist das größte, das beste Geschenk. Es geht um drei WM-Gürtel, dazu noch an diesem legendären Ort, dem Wembley-Stadion. Ich bin motiviert bis in die Haarspitzen. Es ist der Kampf, den die Welt sehen will. Ich habe über ein Jahr auf das Rematch gegen Tyson Fury gewartet, warten müssen, mich darauf vorbereitet, nur damit es dann doch platzt. Doch dieser Kampf ist noch besser. Ein größerer Fight, eine noch großartigere Arena. Das Warten hat sich gelohnt. Es ist der Kampf, auf den alle gewartet haben. Kein Deontay Wilder, kein Joseph Parker.

Die anderen Weltmeister im Schwergewicht.

Genau, oder auch Tyson Fury. Kein Fight gegen einen von ihnen kann die Menschen so elektrisieren wie dieser Kampf. Ich Freude mich unglaublich, dass ich die Chance erhalte, um drei Gürtel zu boxen. Es wäre schlimm, wenn mein Kampf gegen Fury der letzte gewesen wäre, den die Leute von mir gesehen hätten.

Sie haben den größten Respekt vor Joshua.

Absolut. Ich bin ein wirklich großer Fan, seit ich ihn das allererste Mal boxen gesehen habe. Wenn wir im Ring aufeinandertreffen, wird es keine Freundschaft geben, außerhalb sind wir Freunde. Wenn er gewinnen sollte, werde ich ihm gratulieren. Und wenn ich gewinne, helfe ich ihm, wieder an die Spitze zu kommen. Er ist die Zukunft des Schwergewichts.

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Was fasziniert Sie so, dass Sie sich als sein Fan bezeichnen?

Er ist ein ausgezeichneter Boxer, keine Frage. Was mir noch wichtiger ist: dass er ein herausragender Botschafter unseres Sports ist. Wir begegnen uns mit Respekt. Da gibt es keine Sprüche, wie: "Ich werde deine Kinder fressen", bei uns wird weder mit Stühlen noch Tischen geworfen. Wir wollen Vorbilder sein. In einer Sportart, die ja zum Ziel hat, den Gegner hart zu treffen, kann man sehr wohl mit Respekt und Menschlichkeit miteinander umgehen. In einer Zeit, in der die Welt immer verrückter wird, immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint, finde ich das eine wichtige Botschaft. Respekt ist die einzige Grundlage, auf der man sich begegnen sollte.

"Man sollte sich selbst kannibalisieren, bevor es ein anderer tut"

Wie wichtig ist dieser Kampf für Sie?

Sehr. Ich war so viele Jahre erfolgreich, und irgendwie habe ich dann doch die Aufmerksamkeit verloren. Das hat sich im Kampf gegen Tyson Fury gezeigt. Ich dachte, ich wäre aufmerksam, aber der Erfolg übertüncht Vieles. Um mit Steve Jobs zu sprechen: Man sollte sich immer selbst kannibalisieren, bevor es ein anderer tut. Soll heißen: Stelle in Zeiten des Erfolges alles auf den Prüfstand und die Weichen für die Zukunft, sonst stellt sie dir ein anderer.

Der Kampf ist nicht nur für den Boxer, sondern auch den Menschen Wladimir Klitschko entscheidend?

Ich würde gerne mit einem Witz antworten: "Ein sehr alter Mann, der ein erfülltes Leben hatte, stirbt und kommt zu Gott im Himmel. Er sagt: Ich habe immer Gutes getan, war immer treu, habe dich immer angebetet. Es war ein gutes Leben, schade nur, dass du mich nicht einmal im Lotto hast gewinnen lassen. Darauf antwortet Gott: Hättest du doch nur einmal ein Los gekauft!" Ich spiele kein Lotto, denn ich weiß genau, was ich tue, aber ich habe diese Chance bekommen und ich will diese Chance, dieses Losticket nutzen, um noch einmal ganz oben zu stehen. Dieser Kampf ist einer, der meine Karriere definieren wird.

Jetzt steht Weihnachten an, was bedeutet Ihnen das Fest?

Das, was es wahrscheinlich für die meisten bedeutet: Zeit mit der Familie zu verbringen.

Und was bedeutet Ihnen der Glaube? Sie sind ja in der kommunistischen Sowjetunion groß geworden, haben sich dann als Erwachsener taufen lassen.

Im Kommunismus gab es ja keine Religion. Die war, wie es Karl Marx beschrieb, Opium fürs Volk. Damals war Lenin Gott – und die kommunistische Partei der Glaube. Ich erinnere mich, dass wir als Kinder vor den Bildern von Lenin, die wirklich überall hingen, gestanden und gebeichtet haben, wenn wir etwas angestellt haben. Doch der wahre Glaube ist sehr wichtig, er gibt Halt, er gibt Rückhalt. Er ermöglicht einem, Gutes von Bösem zu unterscheiden. Letztlich ist er es, der verhindert, dass Menschen zu Tieren werden.

Sie sind ja russisch-orthodox. Die feiern am 7. Januar das Weihnachtsfest.

Wir feiern als Familie am 24. Dezember, und wir feiern Silvester – und dann am 7. Januar wieder. Wir feiern also fast durch.

"Kaya hat mir geholfen, die Welt, mich selbst besser zu verstehen"

Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an Weihnachten?

Wie gesagt, das klassische Weihnachten gab es in meiner Jugend nicht. Aber es gab Onkel Frost. Den habe ich zwar nie gesehen, aber Geschenke hat er immer gebracht. Ich kann mich genau erinnern, wie ich als Kind meine Wünsche immer auf einen Zettel geschrieben habe. Den habe ich zusammengefaltet und gegessen. Bitte, Kinder, nicht nachmachen, das ist nicht gesund. Aber ich habe fast immer erhalten, was ich mir gewünscht habe. Etwa ein Fahrrad, das werde ich nie vergessen. Ich mache das immer noch, also nicht den Zettel essen. aber jedes Jahr setze ich mich hin und setze mir Ziele. Die meisten erreiche ich.

Jetzt feiern Sie zum zweiten Mal Weihnachten mit Ihrer kleinen Tochter Kaya

Ich Freude mich sehr. Sie hat mir geholfen, die Welt und mich selbst besser zu verstehen. Vater zu sein, hat mich als Mensch vervollständigt. Man versteht, dass man diese Welt den Kindern in einem guten Zustand übergeben muss, etwas mehr weihnachtlicher Geist würde der Welt helfen.

Wie war der Moment, als Sie Kaya das erste Mal in den starken Armen hielten?

Unbeschreiblich. Der erste Gedanke war: Ich will mehr davon!

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