Ex-Profi Huber: "Glaube, dass Angie ab jetzt besser spielt"

Ex-Tennis-Profi Anke Huber spricht im AZ-Interview über Wimbledon, Kerber und ihre Sorgen um Becker: "Das schmerzt natürlich schon." Über Federer sagt sie: "Sein Wille ist faszinierend und beeindruckend."
von  Interview: Simon Stuhlfelner
Bei den French Open ist Angelique Kerber in der ersten Runde gescheitert. "Ich hoffe, dass sie zuletzt ein bisschen Ruhe gefunden hat", sagt Huber.
Bei den French Open ist Angelique Kerber in der ersten Runde gescheitert. "Ich hoffe, dass sie zuletzt ein bisschen Ruhe gefunden hat", sagt Huber. © dpa/AZ

München - Die AZ hat mit Anke Huber gesprochen. Die 42-Jährige war die Nummer vier der Weltrangliste und gewann 1992 an der Seite von Steffi Graf und Barbara Rittner den Fed Cup. Heute ist sie Turnierdirektorin in Stuttgart.

AZ: Frau Huber, am Montag beginnt das Tennisturnier in Wimbledon. Sie haben dort selbst elfmal teilgenommen. Was macht die Faszination Wimbledon aus?
ANKE HUBER: Wimbledon ist schon immer etwas ganz Besonderes für die Spieler. Wenn man dort auf die Anlage kommt, kann man die Tradition förmlich riechen. Die Rasenplätze, die vielen Leute – dieser Anblick ist einzigartig. Wobei es mittlerweile andere große Turniere gibt, bei denen die Atmosphäre ähnlich gut ist.

Angelique Kerber geht ja als Nummer eins in das Turnier, hat aber eine schwierige erste Saisonhälfte hinter sich. Was können wir von ihr in Wimbledon erwarten?
Ich glaube, dass sie in der zweiten Saisonhälfte besser spielen wird, dass sie alles auch ein bisschen lockerer angeht als zuletzt. Auf Rasen hat sie eigentlich immer ganz gut gespielt, danach beginnt die Hartplatzsaison, das liegt ihr. Sie hat ein tolles Jahr 2016 hinter sich mit zwei Grand-Slam-Siegen, eigentlich kann sie ganz locker drauflos spielen. Ich hoffe, dass sie zuletzt ein bisschen Ruhe gefunden hat, darüber nachzudenken, was sie schon erreicht hat.

Und warum ist es 2017 noch nicht so gelaufen?
Da kommen verschiedene Faktoren zusammen. Der Druck von außen war groß, viele haben gedacht, sie kann jetzt jedes Grand-Slam-Turnier gewinnen. Sie hat sich sicherlich auch selber unter Druck gesetzt, die Gegnerinnen haben sich auf ihr Spiel eingestellt. Und die Dichte im Damentennis ist gerade ziemlich groß, da kann jeder jeden schlagen. Das hat man jetzt gerade in Paris gesehen. Wer hätte gedacht, dass Jelena Ostapenko die French Open gewinnen kann? Insofern ist es normal, dass auch eine Angelique Kerber mal in der zweiten Runde ausscheiden kann.

Kerber holt sich gelegentlich Tipps von Steffi Graf. Hat sie Anke Huber auch schon mal um Ratschläge gefragt?
Nein, wir haben ein gutes Verhältnis. Aber für Ratschläge hat sie ja die Steffi (lacht).

Wie würden Sie Angelique Kerber als Typ beschreiben?
Eher ruhig, schüchtern, zurückgezogen. Sie versucht auf dem Boden zu bleiben. Ein sehr angenehmer Mensch, nett und sympathisch. Aber sie ist auch sehr ehrgeizig und setzt sich unter Druck.

Ein anderes Sorgenkind im deutschen Damentennis ist Andrea Petkovic. Was würden Sie ihr raten, damit sie wieder in die Spur kommt?
Die Situation für Petko ist sehr schwierig. Ihr fehlen einfach mal zwei, drei Siege hintereinander, damit das Selbstvertrauen wiederkommt. Sie spielt ja kein schlechtes Tennis, nur in den entscheidenden Momenten spielt sie nicht die richtigen Bälle, weil ihr das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten fehlt.

Ex-Finalistin Sabine Lisicki hat zuletzt nach langer Verletzungspause ihr Comeback gegeben. Was trauen Sie ihr in Wimbledon zu?
Auf Rasen ist sie immer für eine Überraschung gut. Wenn sie mit der Auslosung ein bisschen Glück hat, kann sie weit kommen.

Noch ein kurzer Blick zu den Männern: Da wird der Titel wohl nur über Roger Federer gehen.
Er ist wieder in Höchstform, hat in Halle unglaublich gespielt. Es ist faszinierend und beeindruckend, dass er mit 35 Jahren immer noch diesen Willen und diese Motivation hat. Bei einem Grand Slam, in den wichtigen Spielen, wird es schwer werden, ihn zu schlagen. Aber Andy Murray oder Rafael Nadal können ihm schon gefährlich werden, auch Alexander Zverev, wenn er in guter Form ist.

Trauen Sie Zverev den Sprung in die absolute Weltspitze zu?
In die Top fünf auf alle Fälle. Er hat das Spiel, den Willen und den Kopf dazu.

Zuletzt ist Tennis-Idol Boris Becker wieder in die Schlagzeilen geraten, als ihn ein englisches Gericht für bankrott erklärt hat. Wie weh tut es Ihnen als ehemaliger Kollegin, so etwas zu lesen?
Das schmerzt natürlich schon. Er ist ein Aushängeschild, er hat das deutsche Tennis dahin gebracht, wo es jahrelang war. Ich hoffe, dass er da wieder rauskommt und dass für ihn wieder alles gut geht.

Zuletzt hat Becker ja als Trainer von Novak Djokovic und als Experte bei Eurosport überzeugt. Glauben Sie, dass er bald wieder als Trainer in der Tennisszene auftaucht?
Das hoffe ich. Das ist das, worin er sich auskennt, wofür er auch eine große Leidenschaft hat, wie man bei seinen Eurosport-Kommentaren gesehen hat. Ich hoffe, dass er bald wieder einen guten Trainerjob bekommt.

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