Ex-Biathletin Wilhelm: Das traut sie Dahlmeier bei Olympia zu

Die dreimalige Biathlon-Olympiasiegerin und fünfmalige Weltmeisterin Kati Wilhelm ist seit 2010 für die ARD als Expertin tätig. Im AZ-Interview spricht sie über die Chancen der Deutschen bei Olympia und der internationalen Konkurrenz.
von  Johannes Schnabl
Kati Wilhelm traut Laura Dahlmeier bei Olympia einiges zu.
Kati Wilhelm traut Laura Dahlmeier bei Olympia einiges zu. © dpa

AZ: Frau Wilhelm, beim Weltcup in Oberhof ist den deutschen Biathleten kein Einzel-Podestplatz gelungen. Müssen wir uns vor dem Weltcup in Ruhpolding und viereinhalb Wochen vor den Olympischen Spielen Sorgen um die Form der deutschen Biathleten machen?
KATI WILHELM: Das glaube ich nicht. Die Laufform hat ja bei den meisten gepasst, die Probleme lagen eher am Schießstand. Das kann auch, gerade vor heimischem Publikum, eine Kopfsache sein. Aber natürlich ist es ärgerlich, wenn das im letzten Schießen in aussichtsreicher Position passiert.

Laura Dahlmeier ist in dieser Saison schon zweimal von einem Infekt ausgebremst worden. Reicht die Zeit noch, um bis Olympia in Topform zu kommen?
Ihre Leistungen sind ja nicht so schlecht. Klar fehlt ihr noch ein bisschen die Substanz, weil sie in der Wettkampfpause nicht voll trainieren konnte. Aber sie hat das ganze Jahr über gut trainiert, dann steckt der Körper so einen Infekt relativ schnell weg.

Es war gut, dass sie die Staffel in Oberhof ausgelassen hat, trotzdem braucht sie auch die Wettkämpfe, um sich Selbstbewusstsein zu holen. Sie ist in der Lage, immer aufs Podest zu laufen. Um Laura mache ich mir keine Sorgen.

Trauen Sie ihr zu, in ein einer ähnlichen Form zu sein wie bei der WM 2017, als sie fünf Goldmedaillen abgeräumt hat?
Das zu wiederholen ist natürlich schwierig. Nach so einer erfolgreichen WM zu Olympia zu fahren, wo sie ja noch nicht erfolgreich war, bedeutet schon einen besonderen Druck. Und mit Anstasiya Kuzmina gibt es eine Konkurrentin, die es allen anderen sehr schwer macht. Laura gehört aber nach wie vor zum Favoritenkreis. Und es gibt in jedem Rennen drei Medaillen, es muss ja nicht immer Gold sein. Auf ihrer Liste stehen sicherlich ein, zwei Medaillen.

Wem aus dem deutschen Frauenteam würden Sie noch zutrauen, ins Medaillenrennen einzugreifen? Kann Denise Herrmann für eine Überraschung sorgen?
Denise hat mit ihren Erfolgen, zum Beispiel in Östersund, sehr beeindruckt. Auf der Strecke zeigt sie als ehemalige Langläuferin Topleistungen, auch am Schießstand überzeugt sie mit Konstanz. Sie kann sich noch ein bisschen im Hintergrund bewegen, weil man nicht so viel von ihr erwartet, kann aber berechtigterweise mit einer Medaille liebäugeln.

Allgemein kann man zum deutschen Frauenteam sagen, dass wir außer Laura Dahlmeier vielleicht keine Topfavoritinnen am Start haben, dass aber jede Athletin an einem guten Tag in der Lage ist, aufs Podium zu laufen. Gerade für die Staffel sind wir gut aufgestellt.

Wie sieht es bei den Männern aus? Simon Schempp wurde zuletzt von Rückenproblemen ausgebremst.
Bei den Männern ist die Leistungsdichte nochmal ein bisschen höher als bei den Frauen, umso wichtiger sind gute Schießergebnisse. Aber unsere Männer sind von der Spitze nicht weit weg. Es muss an einem Tag mal zusammenpassen – vielleicht ja in dieser Woche in Ruhpolding.

An der Weltspitze liefern sich Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bö ein Duell. Was macht die beiden so stark?
Sie sind auf der Strecke wahnsinnig gut und sehr sicher am Schießstand. Wenn man um sein Laufvermögen weiß, tut man sich auch leichter beim Schießen. Wenn von den beiden keiner schwächelt, wird es schwierig, sie zu schlagen. Man könnte fast meinen, dann wäre nur noch der dritte Platz frei. Aber bei Olympia hat es schon öfter ein Favoritensterben gegeben.

Altstar Ole Einar Björndalen kämpft mit 43 immer noch um seine siebten Olympischen Spiele. Hat er den richtigen Zeitpunkt fürs Karriereende verpasst?
Für ihn wäre ein schöner Zeitpunkt gewesen, nach der WM 2016 in Oslo aufzuhören, als er noch einmal vier Medaillen gewonnen hat. Sein Ehrgeiz ist zu bewundern, aber gegen die junge Generation hat er mittlerweile das Nachsehen.

Miriam Neureuther hat kürzlich angekündigt, dass sie sich vorstellen könnte, nach der Geburt ihrer Tochter im Langlauf ein Comeback zu geben. Trauen Sie ihr die Rückkehr in den Leistungssport zu?
Es gibt ja genügend Vorbilder dafür, von Anstasiya Kuzmina bis Marie Dorin Habert. Ich glaube aber, das funktioniert nur eine gewisse Zeit. Denn je älter die Kinder werden, umso mehr Ansprüche haben sie an die Mutter. Und die Mama will dann auch ein bisschen mehr Zeit fürs Kind haben.

Da hat der Leistungssport irgendwann das Nachsehen. Man muss sich bewusst sein, dass man viel gemeinsame Zeit mit seinem Kind dem Sport opfert. Ein klarer Plan, wie lange man das machen und wie man das organisieren möchte, ist da sicherlich hilfreich.

Sie selbst haben an Pyeongchang gute Erinnerungen, haben dort bei der WM 2009 zweimal Gold und zweimal Silber gewonnen. Können Sie beschreiben, was die Athleten dort erwartet?
2009 waren zwar meine erfolgreichsten Weltmeisterschaften, aber sicher nicht meine schönsten. Das liegt auch an den Bedingungen, die mit nichts zu vergleichen sind. Die Verantwortlichen vor Ort hatten keine Erfahrungen, was die Strecken- und Schneepräparation betrifft.

Das mag mittlerweile etwas besser sein, aber auch im vorigen Jahr gab es Beschwerden. Zudem waren nur sehr wenige Fans an den Strecken. Mal sehen, ob die Olympischen Spiele mehr Leute anlocken, ob vielleicht die Unternehmer ihren Arbeitern freigeben, um Olympia zu schauen. Was allerdings sehr positiv ist: Die Wege vom Olympischen Dorf zu den Wettkampfstätten sind sehr kurz, alles ist eng beieinander.

Kurz noch zu Ihnen persönlich: Sie haben 2010 Ihre Karriere beendet und sind mittlerweile als TV-Expertin tätig. Außerdem betreiben Sie ein Restaurant in Ihrem Heimatort Steinbach-Hallenberg, geben Kochbücher heraus und halten Vorträge. Und Sie sind zweifache Mutter. Das klingt nach einem sehr ausgefüllten Leben.
Ich beklage mich zumindest nicht über Langeweile (lacht).

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