European Championships: Goldgrube Riem
Hunderttausende Menschen waren auf den Straßen, in den Hallen und im Park: Die European Championships sind endgültig angekommen in München, die Stadt feiert die Athleten – und natürlich auch sich selbst.
Das lange Wochenende war geprägt von phänomenaler Atmosphäre und großartigen Wettkämpfen. An den drei Tagen fielen bei der Multi-EM 56 der insgesamt 177 Entscheidungen, allein am Sonntag gab es mit 23 neuen Europameistern Goldmedaillen im Akkord.
Ein Überblick über die Highlights der dreitägigen Party.
Klettern
5.000 Menschen drängten sich bei den ersten Final-Entscheidungen auf den Königsplatz. Die Slowenin Janja Garnbret schwärmte nach ihrem Doppel-Gold in Lead und Boulder: "So ein tolles Publikum. Herausragend." Die Kölnerin Hannah Meul kletterte trotz einer schlechten Nacht zu Boulder-Silber. "Ich fühlte mich am Morgen wie gerädert", sagte die 21-jährige Kölnerin, "die Muskeln waren übersäuert, also drehte ich um halb sieben in meinem Zimmer die Musik auf und machte Party." Schien zu helfen. Höhepunkt bei den Männern: Der EM-Titel des wohl weltbesten Felskletterers Adam Ondra im Lead. "Vor dem Wettkampf dachte ich an meinen kleinen Sohn Ugo und meine Frau - das gab mir die nötige Kraft." Mit der Familie im Kopf und den feiernden Zuschauern im Rücken ging es für Ondra dann ganz leicht bis ganz nach oben.

Turnen
Der Samstag schien schon gar nicht mehr zu toppen. Das sensationelle Mannschafts-Bronze der deutschen Turnerin übertraf zum Karriereende von Kim Bui alle Erwartungen. Doch am Sonntag tobte das Publikum in der Olympiahalle erst richtig. Mit Elisabeth Seitz (28) am Stufenbarren und Emma Malewski (18) am Schwebebalken holten gleich zwei DTB-Sportlerinnen EM-Gold. Für Seitz war es nach 13 Jahren in der internationalen Spitze der erste große Titel: "Ich könnte die ganze Zeit heulen, mein Körper zittert, weil die ganze Halle so bebt."
Nun kommt die Halle erst einmal zur Ruhe, am Donnerstag geht es dann mit den Turn-Männern weiter. Einer der Kandidaten zum Anfeuern und Mitfiebern: Lokalmatador Lukas Dauser aus Unterhaching.
Straßenradeln
Gewaltige 200.000 Menschen verteilten sich am Sonntag entlang der 209 Kilometer langen Strecke der Männer. Eine Panorama-Route durchs südliche Oberbayern und die Stadt, allein die TV-Bilder lieferten fabelhafte Tourismuswerbung frei Haus.
Rund 170 Kilometer lieferten die beiden Ausreißer Lukas Pöstlberger (Österreich) und Silvain Dillier aus der Schweiz eine große Show an der Spitze, auf den letzten stimmungsvollen Runden durch München wurden sie dann eingeholt. Schmerzhaft endete das Rennen für Goldhoffnung Pascal Ackermann, 45 Kilometer vor dem Ziel streifte er in der Schwanthalerstraße eine Streckenbegrenzung und knallte beim Sturz mit dem Kopf gegen das Gitter. Den Zielsprint am Odeonsplatz gewann der Holländer Fabio Jakobsen.

Pöstlberger wurde übrigens am Ende mit 7:53 Minuten Rückstand Letzter.
Bahnradeln
Die Messehalle C1 erlebte einen goldenen Samstag. Mit Emma Hinze (Einzelzeitfahren), Mieke Kröger und Nicolas Heinrich (je Einerverfolgung) holten gleich drei deutsche Radler vier Mal Gold, Lisa Brenner gewann zum Abschluss ihrer Karriere im Holzoval Silber in der Einerverfolgung. Überschattet wurde der Samstag vom Horror-Unfall der italienischen Weltmeisterin Letizia Paternoster, die nach einem Massensturz Minuten lang regungslos am Boden lag und deren Nacken noch vor dem Abtransport mit einer Halskrause stabilisiert wurde. Geschockt vor Ort war auch Kristina Vogel, die seit einem Trainingsunfall 2018 gelähmte Olympiasiegerin. "Sie liegt da und bewegt ihre Beine erstmal nicht. Man denkt automatisch wieder daran, es ist ein bisschen ein Flashback." Die schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich zum Glück nicht, Paternoster kam mit einer Gehirnerschütterung und einem Bruch des rechten Schlüsselbeins davon.
BMX-Radeln
14.000 Zuschauer pilgerten auf den Olympiaberg, mit Blick auf die Stadtsilhouette und Alpen verfolgten sie das Finale der tollkühnen Männer auf ihren fliegenden Rädern, Europameister wurde zum dritten Mal nach 2019 und 2021 der Franzose Anthony Jeanjean.
Triathlon
Allez les Bleus! Auch beim Dreikampf aus Schwimmen, Radeln, Laufen dominierte am Wochenende die französische Equipe. Beim Männer-Rennen am Samstag feierte die Grande Nation einen Dreifach-Sieg. Überwältigt von der Atmosphäre der 24.000 Zuschauer entlang der Strecke im Park sagte Silbermedaillengewinner Pierre le Corre: "Unfassbar. Die Leute waren so laut, wir haben unser eigenes Wort nicht verstanden." Am Sonntag holte Team France auch Gold in der Mixed-Staffel, das deutsche Quartett bejubelte Silber.
Marathon
Am Montag gab es die ersten Entscheidungen in der Leichtathletik. Und dabei gleich im Marathon die ersten Erfolge für den zuletzt arg gebeutelten DLV. In einem dramatischen Finish überholte Richard Ringer den Israeli Maru Teferi auf den letzten Metern. Die erste deutsche Marathon-Medaille seit Herbert Steffny, der 1986 in Stuttgart Bronze holte. Bei den Frauen verpassten die beiden Regensburgerinnen Miriam Dattke und Domenika Mayer mit Platz 4 und 6 knapp Einzelmedaillen, zusammen mit der Berlinerin Deborah Schöneborn (10.) holten sie aber Team-Gold.
Mitarbeiter des Tages
Für Radprofi Elia Viviani waren die 209 Kilometer auf der Straße nur ein lockeres Aufwärmprogramm.
Als Siebter verpasste er im Massensprint am Odeonsplatz knapp eine Medaille. Dafür holte er sich fünf Stunden später EM-Gold, beim Ausscheidungsrennen auf der Radbahn in Riem.
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