Europas Spitze: Ohne Papa wird's schwierig

Die Basketballer des FC Bayern haben in der Euroleague Real Madrid zu Gast. Hier erklärt Experte Frank Buschmann, was zur Spitze in Europa fehlt – und was Präsident Uli Hoeneß damit zu tun hat.
AZ: Herr Buschmann, am Donnerstagabend (20.45 Uhr, Audi Dome, live bei Sport1) haben die Basketballer des FC Bayern Real Madrid zu Gast, ein Spitzenverein. Das wollen die Bayern auch werden – wie bewerten Sie ihre bisherige Euroleague-Saison?
FRANK BUSCHMANN: Bayern spielt absolut im Rahmen der Leistungsfähigkeit – und im Vergleich zu dem, was wir in der Euroleague bisher von deutschen Mannschaften gesehen haben, weit über Durchschnitt. Allerdings hätte ich persönlich fast noch ein bisschen mehr erwartet: nicht vier Siege nach neun Spielen in den Top 16, sondern fünf oder sogar sechs.
Was fehlt noch?
Die Mannschaft wurde vor dieser Saison erst von Svetislav Pesic zusammengebaut, daher fehlt es noch an Konstanz. Die Leistungsschwankungen sind eklatant. Teilweise innerhalb von einzelnen Spielen.
Die Verantwortlichen betonen, auf Kontinuität zu setzen. Der Kader soll Grundstein für etwas Großes sein.
Wenn die Mannschaft im Grunde zusammenbleibt, würde ich laut Hurra schreien! Das stört mich an vielen Teams in Deutschland sehr: Dass oftmals Jahr für Jahr praktisch die gesamte Mannschaft ausgetauscht wird. Da ist keine Identifikation möglich – und schon gar kein internationaler Erfolg. Veränderungen auf ein, zwei Positionen sind sicher notwendig, aber wenn der Rest bleibt, wäre das der richtige Schritt.
Kommt wohl auch darauf an, was die europäische Spitze Bayern-Stars wie Malcolm Delaney bietet.
Ich denke, die ausländischen Profis wissen, was sie am FC Bayern haben. Und die riesigen Summen aus dem Ausland sind mittlerweile in den meisten Fällen auch eine Mär. Da gibt es vier, fünf ganz große Adresse wie Real, die sehr viel Geld bieten – und auch zahlen können. Mit dem Rest ist Bayern absolut konkurrenzfähig, die Marke zieht mittlerweile auch im Basketball. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass diese Strahlkraft im Moment fast ausschließlich noch durch die Fußballer begründet ist.
Das heißt, die Basketballer brauchen schnellstmöglich eigene Titel?
Ja! Ich erwarte diese Saison mindestens einen.
Sportdirektor Marko Pesic hatte zuletzt kritisiert, die BBL käme Spitzenmannschaften nicht genug entgegen, was den Spielplan betrifft. Hat er Recht damit?
Da kann man auf jeden Fall darüber diskutieren. Was Spielplan- oder medientechnisch in der BBL passiert, ist mitunter verbesserungswürdig. Da sollte man sich vor der kommenden Saison dringend Gedanken machen, dann geht es um neue Fernsehverträge.
In der Liga ist Bayern mit drei Niederlagen Tabellenführer – und damit voll im Soll. Oder?
Definitiv! Und wir reden hier von einer Mannschaft, die gerade ihre dritte Saison in der BBL spielt. Allerdings sehe ich hier keinesfalls den Alleingang der Bayern. Und das ist auch gut so – ich wünsche mir keine Verhältnisse wie im Fußball. Ich sehe Bayern und Bamberg komplett auf Augenhöhe. Vielleicht ist Bamberg durch die Verpflichtung von Bonns Aufbauspieler Jared Jordan sogar noch einen winzigen Schritt voraus. Und dann sind da noch Berlin und Oldenburg auf meiner Liste.
Was sind die wichtigsten Baustellen der Bayern?
Vieles passt schon sehr gut zusammen. Was fehlt: Konstanz, Konstanz und nochmal Konstanz. Aber die bekommt man nur über Spiele. Und dann ist da noch eine Sache.
Ja?
Ich frage mich: Wann gelingt es den Bayern, Center John Bryant wirklich vollends in ihr Spiel zu integrieren? In vielen Spielen, die ich gesehen habe, wirkt er noch wie ein Fremdkörper. Aber ich weiß, dass er eine Macht sein kann. Ihn komplett einzubauen, das ist noch eine Aufgabe für Svetislav Pesic.
Kann Bayern es letztendlich auf ein Level mit Mannschaften wie Madrid schaffen?
Grundsätzlich würde ich sagen ja, die Rahmenbedingungen stimmen – aber das hängt auch vom Ausgang des Verfahrens gegen Uli Hoeneß ab. Möglicherweise wird er in Zukunft kein Amt mehr beim FC Bayern tragen, dann bin ich gespannt, wie die Unterstützung für Basketball im Aufsichtsrat aussieht. Schließlich war Hoeneß bisher so etwas wie der Papa für die Abteilung.