Erste Kieler Niederlage verschiebt Meisterkrönung
Leipzig (dpa) - Die Unruhen im Umfeld des THW Kiel haben sich erstmals auch auf die sportliche Leistung ausgewirkt. Die seit 47 Meisterschaftsspielen ungeschlagenen Norddeutschen mussten am Sonntag mit dem 27:34 (13:19) beim TBV Lemgo die erste Niederlage seit dem 1. Dezember 2007.
Die Titelfeierlichkeiten sind somit zumindest verschoben. «Die Niederlage gibt uns keinen Knacks. Nur die Verletzten könnten uns einen Knacks geben. Das verletzte Knie von Karabatic macht uns mehr Sorgen als die Niederlage», sagte THW-Trainer Alfred Gislason, der seinen Weltstar in der zweiten Halbzeit nicht mehr einsetzen konnte. Die Kieler können nun auf einen Punktverlust des HSV Hamburg am 22. April bei der SG Flensburg-Handewitt hoffen oder am Tag darauf daheim gegen die HSG Wetzlar selbst alles perfekt machen.
Vor 10 500 Zuschauern im ausverkauften Gerry-Weber-Stadion begann der THW furios und lag mit 2:0 in Führung. Auch der französische Welthandballer Nikola Karabatic konnte anfangs wieder mitspielen und zeigte mit sechs Treffern seine Extraklasse. Doch die robuste 6:0- Abwehr der Ostwestfalen mit einem glänzend aufgelegten Torhüter Martin Galia stellte den Seriensieger von der Küste vor enorme Probleme. Bereits nach zehn Minuten nahm THW-Trainer Gislason beim 4:7-Rückstand die erste Auszeit. Zehn Minuten später lag sein Team mit 6:12 zurück. Doch es kam noch härter für den THW: Torhüter Thierry Omeyer erhielt in der 27. Minute die Rote Karte, nachdem er mit dem ebenfalls disqualifizierten Vignier Svavasson aneinandergeraten war. Auslöser der Tumulte war ein Foul von Henrik Lundström an TBV-Nationalspieler Florian Kehrmann.
Nach dem Wechsel zog der Gastgeber, der mit Holger Glandorf (7 Tore) den erfolgreichsten Schützen stellte, dank Kehrmann auf 21:13 davon. Kiel konnte zwischenzeitlich durch Stefan Lövgren auf 17:23 verkürzen, doch das 27:17 in der 40. Minute durch Nationalspieler Sebastian Preiß war die Vorentscheidung. Kurz zuvor wurde der THW erneut geschwächt, als Filip Jicha, der am Sonntag seinen 27. Geburtstag feierte, nach einem Zusammenprall mit Glandorf kurzzeitig das Bewusstsein verlor und ins Krankenhaus nach Bielefeld zur Untersuchung musste. Die Ärzte analysierten eine Überstreckung der Halswirbelsäule und ein Schleudertrauma.
Auch der HSV Hamburg hatte zuvor alles getan, um die Kieler Meisterschaftsfeier trotz verfrühter Glückwünsche zu verschieben. Mit einem 36:32-Sieg über Zwangsabsteiger HSG Nordhorn verweigerten die Hamburger Hilfe für den Konkurrenten. Gleichzeitig wehrten sie den Angriff der Rhein-Neckar Löwen auf Platz zwei ab. Diese entledigten sich ihrer Pflichtaufgabe MT Melsungen erst mit einer starken zweiten Halbzeit mit 43:31.
Vor den drei direkten Aufeinandertreffen der Löwen mit dem THW im Halbfinale der Champions League und in der Vorschlussrunde im Final Four um den DHB-Pokal heizte Gesellschafter Jesper Nielsen mit verbalen Angriffen die Stimmung an. Dabei sprach Nielsen dem THW auch die Berechtigung ab, sich mit dem Meistertitel zu schmücken. «Die Meisterschaft hat der Verein nicht verdient. Der Gewinn der Champions League ist nur durch Betrug zustande gekommen. Und ohne diesen Betrug hätte der THW keine Titelprämie gewonnen, hätte nicht so hohe Sponsoreneinnahmen und keinen Acht-Millionen-Etat, mit dem man sich so eine Mannschaft leisten kann», erklärte der Däne und betonte: «Mit einem Fünf-Millionen-Etat wäre die Meisterschaft wohl anders verlaufen.»
Nordhorn lieferte dem HSV einen offenen Schlagabtausch. Doch Marcin Lijewski erwischte einen Traumtag und erzielte zwölf HSV- Treffer. «Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so oft getroffen habe. Aber die Hauptsache ist, dass wir gewonnen haben», meinte Lijewski. Für die nächsten Partien hofft Schwalb auf die Rückkehr der verletzten Bertram Gille, Torsten Jansen und Krzystof Lijewski.
Die Löwen taten sich gegen Melsungen eine Halbzeit lang schwer. Beim 17:17 sah es sogar nach einer deftigen Überraschung aus. Doch dann besann sich der Favorit seiner Stärken. «Nachdem wir nach der Pause die Einstellung und das Spielsystem scharf gestellt hatten, lief es», sagte Löwen-Trainer Wolfgang Schwenke. Melsungen ging im Angriffswirbel der Mannheimer förmlich unter und hatte nicht mehr die Spur einer Chance. Dadurch erhielten sich die Löwen die Chance, sich direkt als Zweiter für die Champions League zu qualifizieren.