Erst hinter den Ural, dann in die Wüste

Die Fifa vergibt die WM 2018 nach Russland und jene 2022 ins Emirat Katar – und entscheidet sich für jene Kandidaten, um deren Bewerbungen sich zahlreiche Korruptionsgerüchte ranken.
Mitten in einer kolossalen Korruptionskrise hat das Exekutivkomitee der Fifa sich für das große Geld aus dubiosen Quellen entschieden. Die WM 2018 findet in Russland statt, die WM 2022 im Emirat Katar. Russland setzte sich in der zweiten Runde mit 13 von 22 Stimmen gegen Spanien/Portugal (7) sowie Belgien/Holland (2) durch. In Runde eins war England mit nur zwei Stimmen ausgeschieden – die jüngsten Korruptions-Enthüllungen hatten Wirkung gezeigt. Zumal Spaniens Verbandspräsident Ángel María Villar Llona gesagt hatte: „Die Fifa ist eine saubere Institution. Alle meine Kollegen sind ehrenwerte Herren und arbeiten ehrlich und hart. Der gesamte Bewerbungsprozess ist sauber, egal was die Medien erzählen.“
Dieser Bewerbungsprozess, in dem jene gewannen, die mit Milliardensummen jonglieren, bewies das Gegenteil. Katar brauchte vier Wahlgänge. Zunächst scheiterte Australien mit einer Stimme, im zweiten Durchgang flog Japan mit drei, im dritten Südkorea mit vier Stimmen raus. Im Finale setzte sich Katar 14:8 gegen die USA durch. Nun geht es also zuerst hinter den Ural und dann in die Wüste.
Die Fifa hat sich für jene Bieter entschieden, um deren Offerten sich zig Korruptionsgerüchte ranken. „Wir fahren in neue Länder“, jubelte Fifa-Präsident Joseph Blatter, „ich bin ein glücklicher Präsident. Wir entwickeln den Fußball.“ Fußballentwicklung in teuren, vollklimatisierten Stadien in einem Land kleiner als Hessen? Bei 50 Grad im Schatten? „Sie haben falsche Vorstellungen“, sagt Scheich Mohammed bin Hamad Al-Thani, Bewerbungschef Katars, „es haben schon mehrere Turniere unter ähnlichen klimatischen Verhältnissen stattgefunden.“ Den Fifa-Vorständlern dankte der Spross des Emirs „für ihre mutige Vision“.
Um zu verstehen, was in Zürich geschah, muss man eine Zeitreise machen. Ins Frühjahr 1998 oder ins Frühjahr 2002. Damals hatte Blatter schwere Wahlkämpfe zu meistern, über denen für immer der Schatten der Korruption schwebt. 1998 kandidierte der damalige Generalsekretär Blatter gegen Lennart Johansson. 2002 musste er sich gegen Issa Hayatou aus Kamerun behaupten. Es war der Emir von Katar, der Blatter finanziell und mit allerlei nützlichen Tools, etwa einem Langstrecken-Jet, unterstützte. Mohamed Bin Hammam, Fifa-Exekutivmitglied aus Katar, reiste wochenlang mit Blatter durch die Welt und sammelte in Afrika und Asien Stimmen. Der Emir leistete so genannte Entwicklungshilfe. Katar investierte viel Geld. Bin Hammam, ein Günstling des Emirs, und Blatter haben dies oft bestätigt. Blatter sagte einmal, wer so viel Geld investiere wie Katar und der Emir, der sehe halt zu, „dass seine Freunde in die richtigen Positionen kommen“.
Nun beweist sich einmal mehr, warum Blatter im Mai 2008 in Sydney überraschend die WM-Doppelbewerbung durchgepeitscht hatte: Weil er so die Binnenpolitik im 208 Nationen umfassenden Dachverband besser bestimmen konnte. Weil er die Interessen von zunächst 13, dann noch elf Bewerbernationen mit eigenen Interessen koordinieren konnte. Die WM 2018 in Russland, davon hatte ein Blatter-Freund, der skandalumtoste ehemalige Exekutivler Wjatscheslaw Koloskow seit Wochen gesprochen. Russland garantiert Blatter jegliche Unterstützung für die Wiederwahl 2011. Katar ebenfalls. Es gibt keine Herausforderer. Blatter hat angekündigt, eventuell 2015 eine fünfte Amtszeit anzugehen. Die einzige Gefahr sind die Korruptionsskandale, die ihm um die Ohren fliegen könnten.
Schließlich Russland. Was für ein perfektes Ablenkungsmanöver von Putin, welch gigantische Täuschung, nicht nach Zürich kommen zu wollen, um die Fifa-Exekutivmitglieder nicht unter Druck zu setzen. Welch abgekartetes Spiel. Welche eine Lüge. Putin hatte längst Signale, dass Russland die WM erhält. Als die Russen um 17.53 Uhr eine Pressekonferenz geben sollten, hieß es nur, dass sie keine Fragen beantworten und forderten die Reporter auf, um 21 Uhr wieder zu kommen. „Alle Fragen wird unser Premierminister Putin beantworten!“ Putin hatte schon die Winterspiele 2014 in seine Residenzstadt Sotschi geholt. Sotschi, das überrascht niemanden, ist einer der Spielorte bei der WM 2018.
Jens Weinreich