Erich Kühnhackl über Eishockey-Olympia-Mannschaft: "Zeit für neue Helden"

In der AZ spricht Eishockey-Legende Erich Kühnhackl über den Erfolg der Nationalmannschaft bei Olympia und erklärt, was sich in seinem Sport ändern muss: "Diese tolle Chance sollte man unbedingt nutzen".
von  Simon Stuhlfelner
Silber-Helden: Deutschlands Nationalspieler präsentieren nach dem denkbar knapp verlorenen Finale gegen Russland ihre Medaillen. Erich Kühnhackl spricht in der AZ über den sensationellen Erfolg.
Silber-Helden: Deutschlands Nationalspieler präsentieren nach dem denkbar knapp verlorenen Finale gegen Russland ihre Medaillen. Erich Kühnhackl spricht in der AZ über den sensationellen Erfolg. © dpa/AZ

AZ-Interview mit Erich Kühnhackl: Der 67-Jährige gilt als bester deutscher Eishockeyspieler aller Zeiten. Mit der deutschen Mannschaft holte er 1976 Olympia-Bronze.

AZ: Herr Kühnhackl, haben Sie noch einmal kurz Zeit, den historischen Silber-Triumph der deutschen Eishockeyspieler bei Olympia für uns einzuordnen?
ERICH KÜHNHACKL: Ja freilich, wenn’s ums Eishockey geht, hab’ ich immer Zeit.

Für wie verrückt hätten Sie mich denn erklärt, wenn ich Ihnen vor den Olympischen Spielen eine Silbermedaille für das deutsche Team prophezeit hätte?
Im Nachhinhein kann man ja immer g’scheit daherreden. (lacht) Aber ich habe mir schon irgendwie gedacht oder gewünscht, dass wir so weit wie möglich kommen und um eine Medaille spielen können. Dass es so weit nach vorne geht, bis ins Finale, hat natürlich keiner gedacht. Aber dass sich das Eishockey in Deutschland seit Jahren in allen Ligen gut entwickelt, dass die Nachwuchsspieler mehr Eiszeit bekommen und dass die Nachwuchs-Nationalmannschaften des Deutschen Eishockey-Bundes gute Ergebnisse erzielen, war mir schon bewusst.

Wie kann man den Triumph sporthistorisch einordnen? Kann man das mit dem Wunder von Bern 1954 oder dem Miracle on Ice, dem Triumph der USA über die Sowjets bei Olympia 1980, vergleichen?
Zweifelsohne. Das Finale hätte ja auch ohne Weiteres andersherum ausgehen können. Die Mannschaft hat sich von Spiel zu Spiel gesteigert und selbst der Unterschied zu den absoluten Topmannschaften war minimal – im Gegenteil, es gab sogar Phasen, in denen wir die bessere Mannschaft waren.

Schmerzt es da nicht, dass es so knapp, um 55 Sekunden, nicht zu Gold gereicht hat?
Im ersten Moment ärgert einen das schon. Es wäre doch so schön gewesen für die Jungs. Auf der anderen Seite, mit etwas Abstand, kann ich nur sagen: Wir haben nicht verloren, wir haben die ganze Zeit gewonnen. Diese Silbermedaille glänzt wie Gold!

Ihren Heldenstatus von 1976 müssen Sie jetzt jedenfalls teilen.
Es ist auch an der Zeit für neue Helden. Wenn Sie so mit dem Eishockey verbunden sind wie ich, gibt es nichts Schöneres. Diese Silbermedaille kommt dem ganzen Eishockeysport zugute, das ist ja unglaublich.

Was waren die Faktoren für den Erfolg?
Wenn man in so einem Turnier gut spielt, wächst natürlich das Selbstvertrauen von Spiel zu Spiel. Und was ich persönlich hervorheben möchte: Dass die Spieler immer als Mannschaft, als verschworene Einheit aufgetreten sind. Das war ausschlaggebend, dass jeder 100 Prozent oder darüber hinaus gehen konnte. Den Rest erledigt dann die Euphorie, die Aussicht, dass du etwas Großes erreichen kannst.

Wie hat eigentlich Ihr Sohn Tom, der ja wie alle NHL-Spieler keine Freigabe bekommen hat, die Olympischen Spiele mitverfolgt?
Sie können sich natürlich vorstellen, dass für alle unseren deutschen NHL-Spieler diese Olympischen Spiele etwas ganz Besonderes gewesen wären. Aber sie mussten sich eben mit der Tatsache abfinden, dass sie nicht freigestellt worden sind. Sie haben alle wie der Tom mitgefiebert und haben sich für ihre Teamkollegen riesig gefreut. Durch die neuen Medien sind sie ja alle miteinander verbunden, das gab es ja zu unserer Zeit gar nicht. Eine Stunde nach dem Spiel skypen oder schreiben die sich schon.

Glauben Sie, dass es nun auch Angebote aus der NHL oder anderen Ligen für die deutschen Olympia-Spieler geben könnte? Über Dominik Kahun vom EHC Red Bull München hat DEB-Präsident Franz Reindl gesagt, er könne in jeder Liga spielen.
Ich glaube schon, dass die Jungs gezeigt haben, dass sie auch in der KHL (höchste Spielklasse Russlands, an der auch internationale Teams teilnehmen, d.Red.) oder der NHL spielen können.

Wie schwer wird es nun, bei den kommenden Turnieren wie der WM im Mai in Dänemark den Olympia-Erfolg zu bestätigen?
Das ist natürlich in gewisser Weise eine Bürde, aber der Druck der Öffentlichkeit ist ja positiv. Die Jungs haben bei Olympia unglaubliches Selbstbewusstsein gesammelt, sie werden die Weltmeisterschaft genauso angehen wie die Olympischen Spiele.

Und was bedeutet dieser Erfolg für das deutsche Eishockey insgesamt? Wie kann man den Erfolg vergolden?
Da müssten wir uns mal zu einem Seminar treffen, um das zu erklären. Kurz zusammengefasst: Die Spiele müssen frei empfangbar übertragen werden, es muss noch mehr Zeit und Geld in die Nachwuchsarbeit investiert werden, der Verband muss seine U-Teams weiter zu den Top-Turnieren schicken können und die Nachwuchsspieler müssen frühzeitig ihre Chance in der DEL bekommen. Ich denke schon, dass die Verantwortlichen beim DEB und in der DEL das jetzt angehen werden, denn diese tolle Chance fürs deutsche Eishockey sollte man unbedingt nutzen.

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