Erfolgreich durchgeknallt

Zehnkampf-Legende Busemann ist von den deutschen Leichtathleten begeistert. Besonders Weltmeister Harting hat es ihm angetan. „Was ist das für ein Gorilla!”
Interview: Matthias Kerber |
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AZ: Herr Busemann, was war denn da mit den deutschen Leichtathleten los? Bei der WM in Daegu heimsten sie an einem Tag gleich drei Medaillen ein.

FRANK BUSEMANN: Ich bin ja jetzt noch ganz euphorisiert. Es gab ja schon Momente, wo man in Deutschland als Leichtathlet schon belächelt wurde, so nach dem Motto, willst du nicht echten Sport machen? Wenn man sich an die Olympischen Spiele 2008 in Peking erinnert mit einer Bronzenen, mehr konnte man ja nicht floppen. Damals hat uns Speerwerferin Christina Obergföll vor der totalen Blamage gerettet, das allein ist schon Lebensleistung genug. Ich traue ihr jetzt bei der WM in Daegu auch wieder zu, dass sie was edelmetallisches raushaut. Aber der Tag mit Harting, Strutz und Oeser, der ist ja jetzt schon Kult.

Diskus-Hüne Harting holte abermals Gold.

Ich habe vorher gerade zu meiner Frau gesagt: Was ist das für ein Gorilla! Da ist er verletzt, und dann haut er gleich mit dem ersten Wurf so ein Ding raus, dass die Konkurrenz kollektiv ihre Kinnladen vom Boden hochheben muss und alle nur noch rechnen: Okay, Gold ist weg, aber Silber ist noch drin. Ich finde den Harting cool, das ist der Anti-Busemann, der ist das genaue Gegenteil von mir. Der reißt seine Klappe auf und haut dann wieder einen Spruch raus, da hätte ich in dem Moment schon Angst vor den harten Klapsen, die ich dafür auf den Popo kriegen würde. Aber dem ist das egal. Wer Leistung bringt, kann eben auch laut brüllen. Als Funktionär kriegst du im Umgang mit dem sicher büschelweise graue Haare.

Sie haben ja so Ihre Erfahrungen mit ihm...

Ich kann mich noch genau erinnern, bei der WM in Berlin, spüre ich plötzlich so eine Riesenpranke auf meiner Schulter. Der Harting. Er sagt: „Frank, ich habe gelesen, was du in deiner Kolumne in der AZ über mich geschrieben hast, dass ich der Hulk Hogan der Leichtathletik bin.” Mir lief schon der Angstschweiß in Bächen runter und dann sagt er nur: „Hat mir gefallen.” Und klopfte mir die Pranke auf die Schulter, dass sie immer noch tiefer hängt.

Er hat aber auch eine ganz andere Seite, die Medaille widmete er einem Freund, der bei einem Einsatz in Afghanistan ums Leben kam.

Robert hat eine ganz sanfte Seele, er malt ja auch gerne. Da denkt man, der malt sicher mit dem Vorschlaghammer, aber das sind ganz feine, sensible Bilder. Der äußere Eindruck trügt bei ihm.

Der äußere Schein von Martina Strutz mit ihren vielen Tattoos, der burschikosen Art, strahlt viel Stärke aus.

Da trügt der Schein nicht, sie hat diese Aura der Ruhe, der Stärke. Sie ist ein Typ. Aber meine Frau hat gesagt, das Aggressive kommt nur durch die Brille, wenn sie die abnimmt, ist sie sicher ganz sanft. Ich will ihr mal glauben.

Jennifer Oeser holte Bronze.

Ja, die Jenny, die hat beweisen, dass man im wahrsten Sinne auf die Schnauze fallen und immer noch eine Medaille holen kann. Ich weiß nicht, warum sie nach dem ersten Tag so den Weichspüler eingeworfen hatte und rumjammerte. So kenne ich sie gar nicht. Aber sie hat sich ja dann nach Bronze auch für die vielen Arschtritte bedankt, die sie dafür gekriegt hat. Ich kann versichern, ich habe im Geiste mitgetreten. Und es hat gewirkt.

Plötzlich hat die deutsche Leichtathletik nicht nur wieder Erfolge, sondern auch echte Typen zu bieten.

Das ist auffällig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jetzt die Vorgabe vom Psychologen ist, so, jetzt geht mal richtig aus euch raus. Aber es macht im Moment Spaß. Die Frage ist nur: Sind die so durchgeknallt, weil sie Erfolg haben, oder sind sie erfolgreich, weil sie so durchgeknallt sind? Die Frage ist noch spannender als die vom Huhn und dem Ei.

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