"Er wird immer besser"
Wäre es nach ihm gegangen, würde Vitali Klitschko nicht mehr im Ring stehen: Hier spricht Trainer Fritz Sdunek über die Qualitäten des 40-Jährigen, wie er Chisora sieht und warum Haye Prügel verdient hätte
AZ: Herr Sdunek, fünf Jahre, nachdem Sie eigentlich mit Ihrem Schützling Vitali Klitschko in München boxen sollten, ist es jetzt endlich wieder soweit. Das hätten Sie sich damals sicher auch nicht vorstellen können.
FRITZ SDUNEK: Sicher nicht. Ich war ja schon dagegen, dass er überhaupt ein Comeback gibt. Er hatte es geschafft, als Weltmeister abzutreten, und ich habe zu viele Boxer erleben müssen, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und noch im Ring standen, als sie dort nichts mehr zu suchen hatten. Diese Boxer haben so ihre Legende teilweise zerstört. Ich wollte auf keinen Fall, dass Vitali das auch erleben muss. Er hat mich damals erst überzeugen müssen – und er hat mir seine Fitness beweisen müssen. Als dann 2007 sein Comeback-Kampf in München gegen Jameel McCline wegen Vitalis Bandscheibenvorfall platzte, als ich diese sieben, acht Teile – Verknöcherungen – gesehen habe, die man ihm aus dem Rücken entfernt hat, dachte ich mir: Das war’s!
Tja, auch der „alte Fritz” kann irren, Vitali holte sich 2008 den WM-Titel und dominiert seitdem die Schwergewichtsszene zusammen mit seinem Bruder Wladimir.
Absolut, er wird immer noch besser. Er hat einige seiner besten Kämpfe im zweiten Teil seiner Karriere abgeliefert. Er liebt diesen Sport einfach. Ich erinnere mich noch, wie er 2004 nach seinem Kreuzbandriss vor dem Rahman-Kampf seinen Rücktritt erklärte. Wir lagen uns weinend in den Armen. Und immer wieder hat Vitali es hinausgezögert, die Meldung seines Karriereendes offiziell zu machen. „Ich will noch ein bisschen Boxer sein”, hat er gemeint und es nochmal eine halbe Stunde hinausgeschoben. Diese Liebe treibt ihn jetzt immer noch an.
Es gibt im Boxen bei Niederlagen einst großer Champions den Spruch: „Er ist über Nacht alt geworden.” Fürchten Sie das bei Vitali auch? Er wird immerhin 41…
Nein, ich beobachte ihn ja mit Argusaugen, aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass er nachlässt. Wir haben einen Pakt geschlossen. Wenn ich sehe, dass er plötzlich Schläge nimmt, die er früher leicht weggependelt hat, werde ich ihm raten, aufzuhören. Er braucht seinen Kopf für die Karriere nach der Karriere.
Die wird er in der ukrainischen Politik machen.
Ja, die erste Woche der Vorbereitung haben wir ja in Kiew absolviert, das war der pure Wahnsinn. Er steht um sechs Uhr auf, trainiert, jedes Frühstück hält er entweder mit Politikern oder Geschäftsleuten ab, dazu klingelt andauernd das Telefon, das ist ein unvorstellbarer Dauerstress, dem er ausgesetzt ist. Ich würde da nach kürzester Zeit verrückt, aber er steckt das gut weg. Deswegen ist das Boxen ja für ihn wie ein Jungbrunnen, da kann er sich erholen. Aber dieser Wille, diese Stressresistenz, das ist enorm. Vitali ist ein Jahrhundertmensch.
Seinen Gegner Dereck Chisora kennen Sie sehr gut. Sie hatten ihn als 2009 als Sparringspartner für Ihren damaligen Boxer Sascha Dimitrenko verpflichtet.
Chisora ist ein Instinktboxer, der sich nicht viel um Taktik kümmert. Er geht nach vorne auf den Körper und versucht dann mit wilden Haken zum Kopf durchzukommen. So hat er beim EM-Kampf gegen Helenius auch agiert. Für mich hat er den Fight klar gewonnen. Aber Helenius ist kein Klitschko. Vitali wird ihm nicht den Gefallen tun, stehen zu bleiben. Alle reden von Klitschkos Eisenfäusten, von seinem Eisenkinn, aber er wird den Kampf mit der Beinarbeit gewinnen. Es wird ein Sieg der Beine.
Ein beinharter Erfolg sozusagen: Die US-Trainerlegende Emanuel Steward schätzt Chisora viel gefährlicher ein als den britischen Sprücheklopfer David Haye.
Zumindest ist er mutiger. Er wird kommen, um zu kämpfen. Haye hat bei seiner Niederlage gegen Wladimir Klitschko seine Angst nur hinter den großen Sprüchen versteckt. Seine einzige Taktik war, bei jedem Körperkontakt zu Boden zu stürzen, in der Hoffnung, dass Wladimir nachschlägt, so disqualifiziert wird und Haye damit gewinnt. Dass war ziemlich feige. Ich persönlich würde auch gerne sehen, dass Vitali sich Haye noch mal vorknöpft und ihm so richtig das Maul stopft. Der hat das nicht anders verdient.
Chisora tritt auch ziemlich großmäulig auf.
Er ist eigentlich ein netter Kerl, da ist viel Show dabei, er hat das Zeug für Hollywood.
Er versprach, Klitschko in Runde acht auszuknocken...
Was glauben Sie, was ich schon für Versprechen und Ankündigungen gehört habe? Alle haben sie versprochen, die Klitschkos zu verprügeln, sie vorzuführen und was weiß ich alles. Aber alle mussten nach dem Kampf eingestehen, dass sie die Prügel ihres Lebens bekommen haben. Daran wird sich auch hier nichts ändern.
- Themen:
- Vitali Klitschko
- Wladimir Klitschko