„Er schreibt Alis Buch weiter“
AZ: Herr Schulz, in der Nacht auf Sonntag steigt der Kampf zwischen Manny Pacquiao und Floyd Mayweather. Wenn man sich die öffentliche Wahrnehmung anschaut, ist das eine Wiedergeburt des so gerne totgesagten Boxsports.
AXEL SCHULZ: Ich finde das sowas von geil! Boxen hat nichts von seiner Faszination verloren. Es braucht nur die richtigen Boxer und die richtigen Kämpfe. Mich hat vor ein paar Tagen die 13-jährige Tochter eines meiner besten Freunde angerufen und gefragt, wo sie den Kampf sehen könnte. Sie hat zwar mit Boxen nichts am Hut, aber die Tochter von Mayweather würde immer so tolle Fotos davon auf Facebook posten, was der Vater ihr alles an extravagantem Zeug schenken würde. Das fände sie toll, daher will sie den Fight sehen. Wenn Leute, die sich nicht um Boxen kümmern, elektrisiert sind, weiß man, welche Bedeutung der Kampf hat.
Der angebliche Kampf des Jahrhunderts.
Da muss ich widersprechen. Vor fünf, sechs Jahren wäre er das vielleicht gewesen. Aber die beiden sind ja nicht mehr die Jüngsten...
Pacquiao, der einzige Fighter in der Historie, der in acht Gewichtsklassen Weltmeister wurde, ist 36, Mayweather, der in 47 Fights ungeschlagen ist, sogar 38.
Beide haben ihren Zenit etwas überschritten. Die leichten Kerle leben von ihrer Geschwindigkeit, ihren Reflexen, ihrer Schlagrate, das lässt im Alter nach. Deswegen ist es für mich ein Megafight, aber nicht der Kampf des Jahrhunderts, dafür kommt er zu spät. Aber das Kampfmotto verkauft sich, das ist typisch amerikanisch. Da wird so lange auf die Kacke gehauen, bis es jeder mitkriegt. Da gehört Angabe und Übertreibung zum Handwerk. Aber es ist ein Kampf, für den ich mir definitiv den Wecker stelle.
Wer gewinnt den Fight?
Ich bin sehr sicher, dass Mayweather in den hinteren Runden den Kampf für sich entscheiden wird. Er ist ein unglaublich guter Boxer. Pacquiao ist für mich nicht der Gleiche, der er früher war. Er ist nach seinem schweren K.O. gegen Márquez vor drei Jahren vorsichtiger geworden. Kein Boxer steckt so etwas so einfach weg, das kenne ich aus eigener Erfahrung. Jahrelang konditioniert man sich so, dass man glaubt, der Größte zu sein, dass einem die Schläge des anderen nichts anhaben können. Dann kommt dieses brutale Rendezvous mit der Realität. Außerdem ist das Alter bei Mannys Stil ein größerer Nachteil als bei Floyd. Er ist ja ein eher kleiner Furz, der über die Frequenz der Schläge kommt, die lässt aber mit den Jahren nach. Und wie gesagt, den Knockout, den hat er im Kopf. Das vergisst du nie. Das sieht man ja auch an Wladimir Klitschko.
Der vor einer Woche bei seiner Titelverteidigung gegen Bryant Jennings Schwächen zeigte.
Das war nichts. Er hat klar gewonnen, aber gegen so einen Mann musst du anders auftreten, da musst du reingehehen und reinhauen. Ich denke, dass mit diesem Kampf für ihn die USA gestorben sind. Das Interesse an seiner Art zu kämpfen, dieses Sicherheitsdenken, kommt da nicht an. Aber das ist das Produkt der Knockouts, die er erlebt hat. Er weiß, dass er nicht unverwundbar ist, deshalb tut er alles, um überhaupt nicht verwundet zu werden.
Wer ist Ihnen denn sympathischer? Mayweather oder Pacquiao?
Mayweather. Er macht doch mit seiner Protzerei, seiner selbstherrlichen Art, diesen Kampf erst groß. Er ist wie Muhammad Ali oder Mike Tyson. Er provoziert, er protzt, er ist arrogant. Ich finde das toll. Ali hat ja dieses Spiel mit der Öffentlichkeit erfunden. Er hat die Wrestler gesehen und die Show, die die machen. Und die immense Kohle, die die verdient haben, ohne viel dafür zu riskieren. Boxer riskieren in jedem Fight ihre Gesundheit, ihr Leben. Ali hat die Show ins Boxen gebracht – und damit die Kohle. Mayweather folgt dieser Blaupause, er schreibt das Buch weiter, das Ali begonnen hat.
Komisch, dabei waren Sie doch immer brav, haben nicht groß am Ballyhoo teilgenommen.
Ich war ein absolutes Mädchen. Das hat zwei Gründe. Ich hatte nie dieses Selbstvertrauen, das Mayweather hat. Zweitens darf man nicht vergessen, welche unglaublichen Fähigkeiten Floyd hat. Ich hingegen wusste immer, dass ich boxerisch beschränkt war. Ich habe für das, was mir an Fähigkeiten mitgegeben war, das Beste daraus gemacht. Aber ich hatte nie nur im Ansatz das Potenzial, das Floyd hat. Wäre ich so aufgetreten, wäre das lächerlich gewesen. Man muss es sich leisten können so, eine große Klappe zu haben. Er kann das. Ich sicher nicht.
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