Eklat bei Meisterfeier: FC Bayern bricht mit OB Ude

MÜNCHEN - Nach der Ehrung auf dem Marienplatz ledert Vorstandschef Rummenigge gegen den (abwesenden) Oberbürgermeister: „Verändern Sie Ihre Haltung, Herr Ude, und vor allem Ihre Politik gegenüber dem FC Bayern. Werden Sie dem FC Bayern gegenüber gerecht.“ Den Pokal der Stadt München lässt der Meister achtlos im Rathaus zurück.
Oben auf dem Rathausbalkon hatten sie noch die Contenance bewahrt, so dass die 35 000 Fans unten auf dem Marienplatz nichts mitbekommen sollten von dem Affront, dem Eklat, ja der Kriegserklärung, die der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern beim Empfang durch die Stadt München gegenüber OB Christian Ude absonderte.
Dabei war das Ziel der Attacke weitweg, Ude genießt seinen Urlaub auf Mykonos. Und so musste Hep Monatzeder, grüner Bürgermeister und wie der OB Löwen-Anhänger, stellvertretend für die Stadt die Attacken ertragen. Der Rekordmeister, nach Selbsteinschätzung wichtigster Werbeträger Münchens, fühlt sich von der Stadt zuwenig gewürdigt. „Damit muss Schluss sein. Ein für alle Mal“, wetterte Karl-Heinz Rummenigge und forderte den OB auf: „Verändern Sie Ihre Haltung, Herr Ude, und vor allem Ihre Politik gegenüber dem FC Bayern. Werden Sie dem FC Bayern gegenüber gerecht.“
Stimmung auf dem Balkon prächtig
Wenigstens verzichteten die Bayern darauf, den Streit schon auf dem Balkon auszutragen. Dort war die Stimmung noch prächtig, viel ausgelassener als draußen in Fröttmaning, wo die Konfettikanonen, Böllerschüsse und Arien vom Band so künstlich wirken. Dass die Stars von oben herab den zweitklassigen Stadtrivalen 1860 verhöhnten, von „Bauern aus der Bayernliga“ sangen? Geschenkt, schließlich war bei der anderthalbstündigen Fahrt im Autokorso vom Stadion in die Stadt reichlich Bier für die Helden geflossen. Rummenigge aberwar nüchtern und bestens vorbereitet auf diesen Empfang im Rathaus, den Monatzeder dem neuen Meister erstmals bereiten durfte. Der Grüne ist ja eigentlich ein Freund der Blauen, er war mal Aufsichtsrat bei 1860, doch schielt er als Realo auch stets nach Mehrheiten. Anders als Ude, der Jahr für Jahr, wenn er die Bayern ehren muss, von den Roten ausgepfiffen wird, suchte Monatzeder geradezu die Nähe zu den Bayern, so dass er keine Schmähungen erleiden musste. Beim Empfang im kleinen Sitzungssaal ging der Bürgermeister auf Schmusekurs.
Sprach vom „großartigen Ottmar Hitzfeld“ und dass er stolz sei, den erfolgreichsten Bayerncoach aller Zeiten „persönlich kennenlernen zu dürfen“, huldigte Oliver Kahn als „Titan“ und störte sich nicht daran, dass der Bayern- Kapitän das Geschenk der Stadt, ein Münchner Kindl aus Porzellan, nicht entgegennahm; Kahn hatte den Empfang vorzeitig verlassen. Monatzeder aber „dankte im Namen der Stadt, dass die Bayern im Jahr der 850-Jahr- Feier München uns den Pokal und die Meisterschaft nach München geholt haben“, und schließlich hatte er ja auch noch eine Trophäe zu überreichen. Eine viel zu große freilich, die verdächtig an den Henkelpott erinnerte, nur handelte es sich statt der Champions- League-Trophäe um einen Pokal der Stadt München.
Der Moment auf den Rummenigge gewartet hatte
Fast peinlich berührt gestand Monatzeder noch, dass er ja Anhänger des TSV 1860 sei, aber der spiele nur eine Klasse tiefer und auch dort ziemlich schlecht. Dann wisperte er um Anerkennung durch die Roten: „Wir können vom FC Bayern noch einiges lernen.“ Dies war der Moment, auf den Karl-Heinz Rummenigge gewartet hatte, und so erteilte er der Stadt ein Lehrstück darüber, wie der FC Bayern mit unliebsamen Kritikern umgeht. Rummenigge trat nicht auf wie ein Gast im Rathaus, sondern wie einer, der die gegnerische Bastion eingenommen hat. Er holte sein Manuskript aus der Tasche – und zum Rundumschlag aus. „Als ich hier das letzte Mal vor zwei Jahren zu Ihnen sprechen durfte“, so begann er an Monatzeder gewandt seine Abrechung mit dem abwesenden Oberbürgermeister, „habe ich mich für den Empfang der Stadt München bedankt. Das möchte ich heute ausdrücklich nicht tun.“
Ein erstes Stutzen im Saal, der Mann mit dem Branchennamen „Killer-Kalle“ lächelte kalt: „Die Erklärung ist relativ einfach. Wenn man zu Freunden eingeladen wird, kommt man normalerweise immer sehr gerne. Ich betone ausdrücklich: zu Freunden. Und dies ist hier nicht der Fall. Der Oberbürgermeister gibt uns nicht den Eindruck, dass er ein Freund des FC Bayern ist. “ Ein Raunen folgte, hier der Applaus von den Bayern-Vertretern, dort ein Murren der Stadt-Bediensteten, und Rummenigge drehte erst auf: „Das ganze Jahr über müssen wir das in den Medien lesen, was man eigentlich über uns denkt. Man hat den Eindruck, der FC Bayern ist ein Übel… das leider auch noch Erfolg hat. Mich interessiert nicht, dass der Oberbürgermeister im Aufsichtsrat von 1860 sitzt… wenn er denn dort beaufsichtigen und beraten würde. Es ist sowieso nur ein Kokettieren mit dem einstigen Rivalen aus rein politischer Kalkulation.“ Dann verlas Rummenigge im Rathaus die Anklageschrift gegen den OB in vier Punkten.
„Es kann nicht sein, dass beim DFB-Pokalfinale gegen Dortmund kein Vertreter der Stadt München sich vor Ort zum FC Bayern bekennt.“
„Es kann nicht sein, dass hier Jahr für Jahr der FC Bayern das werbeträchtigste Unternehmen der Stadt München ist, noch weit vor dem Oktoberfest, und man den Eindruck gewinnt, es interessiert hier bei der Stadtspitze keinen.“
„Es kann nicht sein, dass wir von der Stadt in ein Parkhausinvest bei der Allianz Arena genötigt wurden. Um dieses Invest dann noch zu finanzieren, müssen wir die Preise erhöhen und werden dann noch höhnisch kritisiert.“
„Es kann nicht sein, dass uns die Stadt München auf den Rathausbalkon einlädt und der Oberbürgermeister macht Urlaub auf Mykonos. Vermissen werden ihn unsere Fans nicht… aber aus Respekt und aus Anstand hätte er hier anwesend sein müssen.“
Sie haben sich ja noch nie sonderlich gemocht, der oberste Repräsentant der Stadt und sein bester Werbeträger. Als die Bayern noch an alter, denkmalgeschützter Spielstätte fröstelten, hoffte der allgewaltige Franz Beckenbauer, es werde „sich schon ein Terrorist finden, der das Olympiastadion wegsprengt. Als die Stadt sich später gegen diverse Standorte für ein neues Stadion stemmte, drohte der Rekordmeister, künftig als FC Bayern Poing seine Heimspiele auf dem Land auszutragen.
Pakt von Fröttmaning
Schließlich schlossen sie den Pakt von Fröttmaning, dort sonnte sich auch die Stadt im Glanz der WM-Arena. Nun aber haben sie keine gemeinsamen Interessen mehr. Hep Monatzeder übrigens lächelte verlegen und hilflos, als Rummenigge seine Brandrede gegen die Stadt verlesen hatte. Er hatte denWorten des Bayern-Bosses nichts mehr entgegenzusetzen. Der Bürgermeister schlich alleine aus dem Sitzungssaal, den der Bayern– Tross nach der Rede seines Vorstandsbosses geschlossen geräumt hatte. Und den großen, wertlosen Pokal der Stadt München ließen sie im Rathaus zurück.
Gunnar Jans