Eisenbichler im AZ-Interview: "Mit Glücksbringern und eigenem Kissen unterwegs"

AZ-Interview mit Markus Eisenbichler: Der 31-jährige Siegsdorfer ist - unter anderem - sechsmaliger Weltmeister im Skispringen. Er startet am Wochenende in die Saison.
AZ: Herr Eisenbichler, alles startklar bei Ihnen für die neue Saison?
MARKUS EISENBICHLER: Ja, soweit schon. Wir waren die vergangenen Tage in Oberstdorf auf einem letzten Lehrgang. Jetzt geht es los.
Die Eingangsfrage hat ja zwei Unterpunkte. Zum einen haben Sie im Sommer wegen Verletzungen lange ausgesetzt.
Jetzt läuft es aber ganz gut, obwohl ich noch nicht bei 100 Prozent bin. Im Sommer hatte ich erst Sprunggelenksprobleme, dann Knieprobleme. Mit dem Alter wird es halt nicht einfacher. (lacht) Ich habe noch einen kleinen Trainingsrückstand, speziell im Kraftraum. Ich trainiere darum zurzeit mehr als die anderen.
Sie hätten also nichts dagegen gehabt, wenn die Saison ein wenig später losginge. . .
An sich ja, rein vom Trainingsrhythmus her. An der Schanze stimmt aber die Form.
"Wir brauchen nicht zwingend Kunstschnee"
Sie sind vor kurzem Zweiter im Einzelspringen bei der Deutschen Meisterschaft geworden.
Mal schauen, wie es zum Auftakt in Wisla geht. Und bis zur Tournee ist ja noch Zeit, das ist das Topevent.
Der andere Punkt zur Einstiegsfrage: Die Skisprung-Saison startet wegen der Fußball-WM früher als üblich. Können Sie sich da die WM aus Katar überhaupt anschauen?
Im ersten Moment denkt man sich schon: Normal gehört der Fußball in den Sommer. Aber beim zweiten Nachdenken haben wir nun eine Chance, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es bei uns Skispringern nicht zwingend auf den Schnee drauf ankommt. Speziell mit Blick auf die Energiekrise ist Mattenspringen für uns eine sehr gute Option. Wir brauchen nicht zwingend Kunstschnee.
Sie springen zum Auftakt in Wisla ja erstmals im Winterweltcup auf Matten. Was ist für den Springer der Unterschied zwischen Schnee und Matte?
Auf Schnee ist das Gleitgefühl angenehmer und bei der Landung nimmt der Schnee den Druck von den G-Kräften weg, die es da gibt. Der Unterschied ist aber minimal. Wichtig für mich ist, dass es im Anlauf die Eisspur gibt. Sie ist besser für mich. Da sind keine Huckel, keine Schläge drin. Bei der Sommerspur ist immer Vibration unter dir. Da kannst du die Schanze nicht so gut spüren.
Eisenbichler: "Ich bin schon sehr zufrieden, was ich erreicht habe"
Es kommt also viel auf der Schanze und beim Absprung auf das Gefühl an?
Ja, genau.
Neu im Weltcup sind auch die Super-Team-Wettbewerbe, die im Sommer schon getestet wurden: Zwei Springer pro Nation, drei Durchgänge. Was halten Sie davon?
Im Sommer war ich ja nicht dabei. Ich schau mir das mal an. Es ist eine Chance für kleine Teams wie Kasachstan oder Finnland, die Schwierigkeiten haben, vier Topspringer für den normalen Teamwettbewerb zusammenzubekommen. Beim deutschen Team muss man erst einmal einen Platz bekommen.
Aus Finnland kam vom früheren Trainerstar Mika Kojonkoski der Vorschlag, dass die Springer nicht mehr für Nationen, sondern für Firmen springen sollen, damit nicht, wie seit 2019, immer nur die sechs Top-Nationen gewinnen.
Davon halte ich überhaupt nichts. Die Finnen waren auch mal eins der besten Teams der Welt. Sie haben jetzt nicht mehr den Jugendzuwachs - aber dann muss man halt mit dem arbeiten, was man hat. Wir anderen Teams arbeiten hart, tüfteln im Materialbereich - das ist alles viel Einsatz. Wer dafür nicht bereit ist, dafür habe ich kein Verständnis.
Was sind Ihre Saisonziele?
Zwei Sachen: die Vierschanzentournee und die Weltmeisterschaft in Planica. Eigentlich sind es aber drei: Ich will von vorne mitspielen um den Gesamtweltcup. Aber die beiden anderen sind die Ziele, die mir am wichtigsten sind. Da will ich gewinnen. Wenn sich das nicht erfüllen lässt, lässt sich meine Karriere aber trotzdem sehen.
Oha, klingt etwas nach anstehendem Karriereende. Sie sind erst 31 Jahre alt - der Noriaki Kasai springt jetzt mit 50 Jahren noch!
(lacht) Mei. Es ist so: Ich bin schon sehr zufrieden, was ich erreicht habe. Wenn ich mir meine Kindheitsträume in Erinnerung rufe: Weltcupsiege, Erfolge beim Skifliegen, et cetera. . . Da habe ich schon viel erreicht.
Es wird aber nicht Ihre letzte Saison?
Nein, nein. Ich entscheide von Saison zu Saison und überlege, wann ich den Schlussstrich ziehe. Irgendwann möchte man Zeit für seine Familie haben, ein "normales" Leben führen. Im Oktober war ich beispielsweise ganze sechs Tage daheim. Das ist manchmal schon hart, wenn man nur unterwegs ist. Es ist dann schön, wenn man mal daheim ist zum Verschnaufen oder um sich mit den Spezln zu treffen. Speziell die Heimat liegt mir sehr am Herzen.
"Im Leben muss man sich immer weiterentwickeln, nicht nur an der Schanze"
Was aus der Heimat haben Sie denn dann in der persönlichen Reisetasche dabei?
Man hat sein eigenes Kissen dabei - und ich habe Glücksbringer von der Freundin, Spezln und von Fans eingepackt. Und meine Gedanken habe ich immer dabei, im Kopf. Die Heimat vergisst man nicht.
Mit Richard Freitag und Severin Freund haben zwei verdiente Springer aus Ihrem Team aufgehört. Werden Sie sie vermissen?
Ja, schon. Mit Richie bin ich gut ausgekommen, obwohl er aus einem anderen Bundesland kommt. (lacht) Und Sevi vermisse ich extrem. Wir sind miteinander aufgewachsen im Internat. Er war all die Jahre mein Vorbild. Er hat sich alles hart erarbeitet und er strahlt immer so eine Ruhe aus.
Eine, die Ihnen guttut.
Ich bin ruhiger geworden über die Jahre. Im Leben muss man sich immer weiterentwickeln, nicht nur an der Schanze.