„Einfach mal sagen: Ich habe schlecht gehalten“

Wie Toni Schumacher die Leistungen von Jens Lehmann beurteilt. Und was er über den Turnierball sagt, der nicht nur von der deutschen Nummer 1 kritisiert wird. Der Ex-Nationaltorhüter im AZ-Interview.
von  Abendzeitung
Jens Lehmann und sein Arbeitsgerät
Jens Lehmann und sein Arbeitsgerät © az

MÜNCHEN - Wie Toni Schumacher die Leistungen von Jens Lehmann beurteilt. Und was er über den Turnierball sagt, der nicht nur von der deutschen Nummer 1 kritisiert wird. Der Ex-Nationaltorhüter im AZ-Interview.

AZ: Im deutschen Fußball wird wieder mal über die Nummer 1 diskutiert, nachdem Jens Lehmann beim 2:2 gegen Weißrussland gepatzt hat. Er sagte, der Ball, das offizielle Spielgerät der EM, habe geflattert. Taugt das als Begründung, Herr Schumacher?

TONI SCHUMACHER: Das ist eine fadenscheinige Erklärung – nur weil ein neuer Ball da ist. In der Bundesliga hat jeder Klub seinen eigenen Ball von seinem Ausrüster. Das ist nun mal so. Außerdem ist das ja mein Beruf, den ich ausübe.

Schon.

Zudem hat die Nationalmannschaft diesen Ball als erstes bekommen. Adidas macht seit hundert Jahren Bälle. Glauben Sie, die machen Drecksbälle? Jedes Mal heißt es: Das ist der beste Ball überhaupt.

Also darf ein Torwart keine Probleme damit haben?

Gut, was problematisch ist, ist die Griffigkeit, wenn der Ball nass ist. Das stimmt schon. Aber die Flugeigenschaften sind doch perfekt. Der Ball ist perfekt vernäht. Es kann natürlich sein, dass er anders fliegt, wenn er leicht ist. Die Engländer spielen gerne mit einem härteren Ball, die Brasilianer mit einem leichteren. Aber bei einem solchen Turnier ist ja sogar der Druck noch vorgegeben. So ein Flatterball kann keine Erklärung sein, wenn ich ein Tor reinkriege.

Also sucht Lehmann nach Ausreden?

Vielleicht sollte man mal an die Öffentlichkeit gehen und einfach mal sagen: Ich habe schlecht gehalten. Besser passiert das jetzt als während des Turniers.

Auch andere Torhüter meckern, die Italiener zum Beispiel. Gianluigi Buffon sagt aber auch: Gut, dann halte ich halt diese Bälle.

Das ist die richtige Einstellung.

Wie sind Sie mit Flatterbällen umgegangen?

Erst einmal müssen wir festhalten, was Flatterbälle überhaupt sind.

Nämlich?

Es ist verdammt egal, ob das ein Adidas- oder ein Nike-Ball ist. Wenn sich der Ball nicht dreht wie eine Pistolenkugel, kann er zum Flatterball werden. Das hört sich vielleicht etwas wissenschaftlich an, aber wenn er sich nicht dreht, baut sich vor ihm ein Luftpolster auf, das irgendwann wegbricht. Und dann flattert der Ball.

Wie vielen Spielern trauen Sie zu, genau so schießen zu können?

Ich weiß gar nicht, ob man das überhaupt üben kann. Ob man überhaupt so bewusst schießen kann.

Hängt es also doch mit dem Ball als solchem zusammen?

Wissen Sie, zu jedem Turnier gibt es einen neuen Ball. Und da stehen dann doch keine Pappnasen im Tor. Das sind doch die Besten ihres Faches. Da steht Weltklasse zwischen den Pfosten. Die müssen mit dem Ball zurecht kommen.

Bei Lehmann kommt dann aber noch das Problem fehlender Spielpraxis hinzu, oder?

Das war schon immer so und wird immer so sein, verschiedene Dinge sind auf die Spielpraxis zurückzuführen. Aber dann noch zu sagen: Wenn ich im Verein nicht spiele, bin ich fitter beim Turnier – das geht nicht.

Stellt sich also die Torwartfrage? Robert Enke oder René Adler statt Lehmann?

Der Bundestrainer wird nix Neues machen. Ich selbst muss sagen: Ich werde keine Sekunde nervös, weil ich weiß, dass wir gut ausgebildete Torhüter in Deutschland haben.

Aber ohne internationale Erfahrung: Enke hat ein Länderspiel, Adler keines.

Ist ja auch kein Wunder. Wenn ich als Bundestrainer dem Torwart alle Spiele geben muss, weil er im Verein nicht spielt, ist das wirklich nicht verwunderlich.

Dann darf man sich also Sorgen machen?

Ich bin da überhaupt nicht nervös. Vorbereitungsspiele bleiben Vorbereitungsspiele. Man sollte sie nicht überbewerten, aber auch nicht beiseite schieben. Gut ist immer der Mittelweg – und auch mal den Fehler bei sich selbst zu suchen statt bei anderen.

Interview: Thorsten Klein

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