„Eine Träne im Auge“

Sixdays-Legende Bruno Risi verabschiedet sich.In der AZ spricht der Schweizer über seine knapp 20 Jahre in München, über Späße – aber auch über Zabels Geständnis und die Todesfälle im Radsport.
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Auf Abschiedstour: Die Schweizer Sixdays-Legende Bruno Risi startet letztmalig in München.
Roth/Augenklick Auf Abschiedstour: Die Schweizer Sixdays-Legende Bruno Risi startet letztmalig in München.

Sixdays-Legende Bruno Risi verabschiedet sich.In der AZ spricht der Schweizer über seine knapp 20 Jahre in München, über Späße – aber auch über Zabels Geständnis und die Todesfälle im Radsport.

AZ: Herr Risi, Ihre letzten Münchner Sixdays sind in vollem Gange, was überwiegt? Freude oder Wehmut?

BRUNO RISI: Die Freude! Das Ambiente, diese Halle, das ist mir in den fast zwei Jahrzehnten, die ich hier starte, ans Herz gewachsen. Diese urbayerische Gemütlichkeit hat mich immer angesprochen. Ich denke, an den letzten Tagen, wenn der Abschied da ist, wird aber schon eine kleine Träne im Auge sein. Ich bin jetzt 41 – und es ist kein Beruf, den man bis 67 machen kann. Auf dem Zenit abzutreten, wenn man noch mit den Besten mitfahren kann, ist für mich eine echte Genugtuung.

Sie haben stets für Gaudi gesorgt. Beim Rennen und auch hinter den Kulissen. Wir erinnern hier beispielhaft an den nackten Risi.

Oh, mein Gott! Ja, wir hatten da mal eine Wette. Da stand in den Katakomben ein Mofa rum und wir sind dann nackt auf dem Teil durch die Gänge rund um die Halle gedüst. Das war ein Spaß!

Ein kurzer Rückblick: Ihr schönstes und Ihr traurigstes Erlebnis in München?

Die schönsten, da gibt es so viele, da könnte ich stundenlang erzählen. Das traurigste war sicher im Vorjahr, als der kleine Junge meiner Schwester genau am Finaltag gestorben ist. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich hätte nicht fahren können, selbst, wenn ich gewollt hätte. Ich bin dann abgereist.

Sie haben im Radsport alles mitgemacht. Früher waren die Radler die Helden der Straße, der Bahn. Durch die ganzen Dopingskandale steht der Radsport nun fast unter einem Generalverdacht.

Ja, dieser Wandel hat sehr weh getan. Die ganzen Probleme haben auch uns, obwohl die Dopingskandale fast nur bei den Straßenfahrern passiert sind, schwer getroffen und ein bisschen das Genick gebrochen. Wir wurden in das gleiche Boot geschmissen, da wurde nicht unterschieden zwischen Straße und Bahn. Wir waren alle Radfahrer und damit alle unter Verdacht. Das hat mich getroffen, dass man wirklich vom Helden zum Halbverbrecher wurde. Ich kämpfe gegen Doping, es darf nicht sein, dass so etwas die Sixdays kaputt machen darf.

Wie sehr hat es Sie schockiert, als Ihr ehemaliger Partner Erik Zabel im Jahre 2007 seine Dopingbeichte ablegte?

Ich war nicht so sehr schockiert, ich war eher enttäuscht. Aber Erik war so fair und hat es von sich aus zugegeben. Er hat Scheiße gebaut, aber ich würde mir nie anmaßen, über Erik zu richten. Dafür habe ich viel zu viel Respekt, ja, Ehrfurcht vor ihm. Er ist für mich einer der größten Rennfahrer der letzten 20 Jahre. Ich habe ihm auch verziehen. Was soll ich mir anmaßen, über so einen tollen Menschen zu urteilen? Vielleicht liegt es an meiner Erziehung, aber dafür habe ich zu viel Anstand.

Der Radsport hatte in den letzten Wochen mehrere Tragödien zu verkraften. Frank Vandenbroucke wurde mit nur 34 Jahren tot aufgefunden, Dimitri de Fauw beging im Alter von 28 Jahren Selbstmord.

Vandenbroucke, das war das Talent des Jahrhunderts! Aber wenn du nur den Körper dafür hast, aber nicht den Kopf, dann geht es eben nicht. Er hatte große Probleme mit Drogen – und deswegen letztlich auch moralische Probleme. Dimitris Freitod hat mich sehr getroffen. Es erinnert mich da vieles an Robert Enke. Ich kannte Dimitri ganz gut, er war für mich immer ein patenter, witziger Kerl. Wir hatten viel Spaß miteinander, haben viel zusammen gelacht. Als ich hörte, dass er depressiv war und Selbstmord begangen hat, fragte ich mich nur: Warum? Wie verzweifelt muss ein Mensch sein? In welch tiefer inneren Ohnmacht muss man stecken, dass man keinen Ausweg sieht, als Selbstmord, um dieser Verzweiflung zu entfliehen? Ich habe nicht in Dimitris Inneres schauen könne, aber das konnte bei Enke auch keiner. Keiner hat gesehen, wie krank sie sind, wie sehr sie hinter der Maske des Lächelns leiden. Ich habe bei Dimitri nichts gemerkt. Die verstecken das so gut. Ich kenne das.

In Ihrem Freundeskreis gab es einen ähnlichen Fall.

Ja, ein sehr guter Freud von mir ist vor gut zwei Jahren verstorben. Auch er hat Selbstmord begangen, bei uns im Dorf. Ein genialer Mensch. Er war nach außen immer lustig. Wir waren alle schockiert, als wir hörten, dass er sich umgebracht hat. Depression, das ist eine Krankheit, die stärker ist als dein Wille.

Interview: Matthias Kerber

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