Eine infernale Mutprobe
AZ-Serie: Olympia für alle! Heute: Ein ganz besonders tückisches Rennen – und wo Sie selbst Ihren Speed messen können.
Der Abfahrtslauf ist infernalisch. 14,9 km lang – mit drei Richtungstoren. Sie gilt es zu passieren. Den Rest der Strecke kann jede(r) selbst erwählen. Freie Fahrt! Ich stehe am Start oben und der Magen krampft sich zusammen. Im Startgatter neben dem meinen: ein Japaner. Auch er lacht nicht. Lehnt sogar den obligatorischen Start-Schnaps ab. Ich hingegen kippe ihn. Vielleicht erleichtert das die Entscheidung – in punkto Starthang. Denn: Er ist steil. Und an seinem Ende beginnt ein Gegenhang! Was bedeutet: Wer nicht genügend Speed besitzt, schafft es jenen nicht hinauf! Und muss mühsam stapfen.
Es gilt also, Mut zu beweisen. Doch wer zu viel riskiert, gerät in Sturzgefahr. Und es stürzen viele beim legendären Inferno-Teufels-Downhill-Race, das als ältestes Alpin-Rennen der Welt seit 1928 fast jeden Januar in Mürren im Berner Oberland stattfindet. An jenem Traditions-Ort, an dem auch die erste Ski-WM stieg (1931). Das Derby führt vom Schilthorngipfel (bekannt aus dem 1969er-James Bond-Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“) hinab nach Lauterbrunnen. Der Japaner und ich stoßen uns ab. 1850 Teilnehmer versuchen sich jedes Jahr am Inferno-Rennen von Mürren. Alle dreißig Sekunden starten zwei davon gleichzeitig. Der Japaner und ich begehen eine Art Harakiri: alles Schuss! Trotzdem ist er schneller. Doch genau in der Senke, am ungünstigsten Punkt überhaupt, drischt es ihn in den Schnee. Hihi! Ein Konkurrent weni... Doch ehe ich den Satz mit ...ger! vollenden kann, hat auch mich die Rücklage erwischt – gleichfalls Sturz!
Mühsam wursteln wir uns wieder in die Senkrechte und müssten uns nun eigentlich japanischer Sitte gemäß voreinander verneigen und Visitenkarten austauschen. Doch ich habe keine dabei. Weiter, weiter also! S-Kurve, Kanonenrohr, Doppel-S, wieder ein Aufstieg, als sei es eine Langlaufstrecke – und dann den sanften Rest durch den Wald bis hinab ins Ziel. Die Schenkel glühen dennoch. Um es kurz zu machen. Es waren auf der Ergebnisliste nicht sehr viele Teilnehmer(innen) hinter dem Japaner und mir aufgeführt. Fast 27 Minuten benötigten wir – doppelt so lange wie der Sieger! Eine Startnummer zu bekommen, ist grundsätzlich schwierig. Denn die Bewerbungen aus der ganzen Welt füllen (elektronische) Waschkörbe. Wer es selbst probieren will: Am besten sich noch heute für die 72. Austragung im Jahre 2015 bewerben. Unter: www.inferno-muerren.ch
Sie möchten vorher jedoch einmal testen, wie schnell Sie auf Ski eigentlich sind? Kein Problem. Einerseits gibt es zahlreiche Apps, die derlei messen. Doch Vorsicht: seine Hochgeschwindigkeit auf normalen Pisten zu erproben, kann tödlich enden! Denn es drohen katastrophale Zusammenstöße. Wesentlich besser deshalb, eine so genannte „Speedstrecke" hinabzuzischen. Offeriert wird derlei von zahlreichen Skigebieten. Diese Passagen sind vom restlichen Pistenbetrieb abgesperrt, so dass man wirklich freie Bahn hat. Die Runs sind so gut wie immer kostenlos und dauern – je nach Länge der Strecke – vom Start bis ins Ziel etwa vier bis vierzig Sekunden.
Es handelt sich um reine Schussstrecken. An der schnellsten Stelle wird man mittels Radar oder sonstwie gemessen und die erzielte Höchstgeschwindigkeit prangt nach der Zieldurchfahrt auf einer Anzeigetafel. Einen schriftlichen Beleg oder gar eine Urkunde gibt es nicht. Wer seine Geschwindigkeit selbst einmal testen will: Rund eine Autostunde entfernt, zwischen Kufstein und Kitzbühel gelegen sind die drei Geschwindigkeits-Messstrecken der Region Wilder Kaiser (www.skiwelt.at). Dort locken die Speed-Hänge von Scheffau-Schwoich (Piste Nr. 73/Hochfeldlift, 100 m lang, 10 m Höhendifferenz), Brixen (Piste Nr. 7/Filzboden, 120 m lang, 30 m HD) und Ellmau-Going (Piste Nr. 98/Almbahn, 600 m lang, 150 m HD).
Urlaubs-Kinder kommen durchschnittlich auf 40 km/h (Einheimische sind wesentlich schneller), fortgeschrittene Erwachsene auf 50 bis 60 km/h, gute Gleiter auf 70 bis 80 km/h (je nach Körpergewicht) – und richtig gute Skiclub-Rennfahrer auf 95 km/h. Die 100 Stundenkilometer hat in der SkiWelt noch niemand geknackt! Also, wie wär's mit Ihnen? Aber lassen Sie sich unbedingt filmen – sonst glaubt es niemand.
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