„Ein unbeherrschter Charakter“

Erst die Attacke auf den Fuß von Kehl, dann der Schlag mit dem Unterarm auf den Kopf von Hajnal. Schiedsrichter Herbert Fandel schickte Mark van Bommel in die Kabine und der Holländer wird zum Problem-Kapitän: Mal wieder Gelb-Rot – und eine Watschn vom Franz Beckenbauer
DORTMUND Er stellte sich. Immerhin. Manch anderer Profi zieht sich nach Platzverweisen zurück, sucht das Weite, also den Mannschaftsbus, und taucht ab. Mark van Bommel suchte den Dialog mit den Reportern vor der Kabine. Ganz ruhig, gefasst.
Andererseits: Seine Dummheit war ja schon knapp zwei Stunden her. Genug Zeit nachzudenken, was er sagt über den Blackout. Denn van Bommel hat sich wieder mal selbst einen Streich gespielt. In der 23. Minute hatte der Holländer den BVB-Mittelfeldspieler Tamas Hajnal mit dem Unterarm am Kopf getroffen. Hajnal ging zu Boden, van Bommel in die Kabine. Gelb-Rot. Schiedsrichter Herbert Fandel hatte die Szene nicht gesehen, befragte seinen Assistenten Mike Pickel (Fandel: „Er hat schon 150 Bundesliga-Spiele mit mir gemacht. Ich gehe davon aus, dass er keinen Scheiß anzeigt“). Die Entscheidung war für van Bommel schlicht „falsch“, er habe Hajnal nicht absichtlich getroffen – obwohl es „im TV schon blöd ausgesehen habe“.
Fakt ist: Er traf ihn. Genauso wie Sebastian Kehl wenige Minuten zuvor mit gestrecktem Bein. „Dieses Gelb kann man geben“, meinte van Bommel. Und überhaupt: Fandel sei der beste Schiri in Deutschland, ach was, in Europa. Dann setzt van Bommel an zur dritten Grätsche, verbaler Natur diesmal. „Man muss immer fair und ehrlich bleiben.“ Fair, ja, fair. Er sprach über Fandel, nicht über sich. Und weiter: „Schiedsrichter sind auch nur Menschen.“ Stimmt. „Das sind oft 50-50-Bälle, da kann man gewinnen oder verlieren.“ Ja, ja. „Bei mir wird es gepfiffen, bei anderen nicht, dann wird weitergespielt." Oha.
Ein Vorwurf. Van Bommel fühlt sich verfolgt. „Die Augen sind auf mich gerichtet“, meinte er, „vielleicht ist das ein Image-Problem.“ Es ist das Mark-van-Bommel-Problem. Zu viel gefoult? Zu oft Rot kassiert? „Der Vieira von Inter, der hat früher in einer Saison auch vier, fünf Mal Rot bekommen“, wehrte er sich, „das gehört dazu.“ Aha. Und das gehört zu einem Kapitän?
Dazu zwei Statistiken: Es war im 58. Bundesligaspiel die dritte Hinausstellung für den 31-Jährigen – nicht besonders viel. Die zweite Zahl: Es war das dritte Gelb-Rot in den letzten zehn Spielen, im April beim 3:1 gegen Bochum, im Februar beim 1:1 gegen den HSV, als er Schiedsrichter Wagner nach Gelb noch die Stinkefaust hinterherwarf. Zu viel des Guten. Der Ruf ist ruiniert. „Bei uns in Holland gibt es ein Sprichwort: Hohe Bäume fangen viel Wind“, sprach van Bommel. Doch hohe Bäume überragen die anderen – sinnbildlich gesprochen sollen sie Vorbilder sein. Ist er nicht.
Trainer Jürgen Klinsmann hatte ihn bestimmt, jetzt hat er einen Problem-Kapitän. Doch noch schlägt er sich auf die Seite des Täters, der sich als Opfer sieht. „Mark ist in keinster Weise ein Problem“, sagte er, „es ist nicht einfach für ihn. Man wartet nur auf ein Foul von ihm.“
Franz Beckenbauer, der Präsident, sieht es klarer: „Van Bommel ist ein unbeherrschter Charakter, der sich nicht im Griff hat und damit sich und der Mannschaft keinen Gefallen tut.“ Er forderte: „Van Bommel muss lernen, sich zu beherrschen.“
Die Luft wird dünn für den hohen Baum.
Patrick Strasser