Ein Sprung ins neue Leben

Kehrt Martin Schmitt bei der Tournee zurück in die Weltspitze? Ein Blick in die Ahnengalerie zeiht: Alle Legenden mussten mal durch die Krise.
OBERSTDORF Wie ein Sieger riss er die Fäuste in den Himmel. Dabei war Martin Schmitt beim letzten Weltcup-Springen in Engelberg nur Vierter geworden. Dennoch: Dieser vierte Platz war für Schmitt das Zeichen, dass es vor dem Auftakt der Vierschanzen-Tournee am Samstag in Oberstdorf endlich wieder aufwärts geht.
Denn gelitten, das hat der 30-Jährige genug. Seinen letzten Weltcupsieg errang er 2002 in Lahti. Seitdem hangelt er sich von einem gescheiterten Angriff auf die Weltspitze zum nächsten, Verletzungen warfen ihn immer wieder zum Nullpunkt zurück. Doch jetzt sieht er wieder Licht am Ende des Tunnels.
Springt Schmitt, der in den letzten Jahren so tief gefallene Adler, von der Oberstdorfer Schattenbergschanze, wo er zwischen 1998 und 2000 immer gewann, nun wirklich in ein Leben nach dem Leiden?
Toni Innauer weiß genau, wie sich Schmitt in den vergangen Jahren fühlte. Innauer ist schließlich ein Experte in Sachen Krise. „Es war schwer mitanzusehen, wie einen die anderen überholt haben“, erinnert sich der frühere Nationaltrainer der österreichischen Springer an sein eigenes Karrieretief Ende der siebziger Jahre. Innauer, die Skispringerlegende, gewann 1976 bei Olympia in Innsbruck noch Silber, dann folgte der Absturz. Es folgten vier lange Krisenjahre, bis Olympia 1980 in Lake Placid gelang ihm nichts. Und dann holte er plötzlich Gold, der Fluch war besiegt.
Nicht nur bei Innauer war das so. Ein Blick in die Ahnengalerie zeigt: Schmitt würde eine Tradition fortführen. Fast alle Großen seines Sports mussten ihre Durststrecken durchstehen. Zum Beispiel Adam Malysz, der mit 38 Weltcupsiegen zusammen mit dem Finnen Matt Nykänen die ewige Bestenliste anführt. Vier Jahre lang suchte der Pole nach seiner Form. Ein Comeback auf dem Treppchen gelang erst beim WM-Sieg 2007. Oder Simon Ammann, heuer Favorit auf den Tournee-Sieg. Auch hinter ihm lagen vier düstere Jahre, als er sich mit dem vierten Platz bei der Tournee 2006 zurückmelden konnte.
„Man braucht eine enorm hohe Frusttoleranz – und Geduld“, sagt Innauer. Martin Schmitt hatte besonders viel Geduld. Und nun sagt er: „Man muss schon lange zurückgehen, wann ich vor der Tournee in solch einer guten Verfassung war.“
Dass Schmitt nun nochmal einen Angriff auf die Weltspitze wagt, ringt auch Sven Hannawald Bewunderung ab: „Es ist genial, was er leistet. Er kann die Tournee gewinnen“, sagt der einzige Springer, der alle vier Springen bei der Tournee gewann und 2004 wegen eines Erschöpfungssyndroms seine Karriere beendete.
In der Krise brauche es Menschen, die einem nahestehen, meint Innauer. Das ist bei Schmitt Lebensgefährtin Patricia. Die verliebte sich, als er am Boden war. Nun wollen sie gemeinsam jubeln.
R. Keck