Ein Phantom, das traurig macht

Anna-Lena Grönefeld hat in diesem Jahr noch kein Turnier gespielt. Die Zweifel wachsen, ob sie jemals wieder antreten wird. Der Absturz einer einstigen Tennisheldin.
von  Abendzeitung
Anna-Lena Grönefeld, das einstige Fräuleinwunder des deutschen Tennis.
Anna-Lena Grönefeld, das einstige Fräuleinwunder des deutschen Tennis. © Baumann/Augenklickj

Anna-Lena Grönefeld hat in diesem Jahr noch kein Turnier gespielt. Die Zweifel wachsen, ob sie jemals wieder antreten wird. Der Absturz einer einstigen Tennisheldin.

BERLIN Zwei Jahre können eine Ewigkeit sein. Vor allem in der schnelllebigen Welt des Tennis-Wanderzirkus. Und so scheint die junge Frau, die noch im Frühling 2006 als Inbegriff eines neuen deutschen Fräuleinwunders galt, neuerdings zum Phantom des Profibetriebs geworden zu sein: Anna-Lena Grönefeld (22) ist noch schneller von der Bühne des Damentennis verschwunden, als sie einst gekommen war.

Wenn in diesen Tagen die besten Spielerinnen bei den German Open in Berlin gastieren, spricht niemand mehr von der Nordhornerin, die nach sportlicher wie privater Achterbahnfahrt haltlos in die Tiefe gerauscht ist. Wer nach ihr fragt, sieht traurige Gesichter. „Ich kann nur hoffen, dass ihr noch einmal ein Comeback gelingt. Dass sie den Kopf frei hat, um sich auf ihr Tennis zu konzentrieren“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, die sich lange aufopferungsvoll um das Sorgenkind gekümmert hatte.

Beim Erstrunden-Länderspiel dieser Saison in San Diego hatte Rittner ein letztes Mal einen Vertrauensvorschuss für Grönefeld gewährt. Aber die fürs Doppel aufgebotene Grönefeld gab ein bedrückendes Bild ab. Die inzwischen in Saarbrücken lebende Blondine, die weiter an Gewicht zugelegt hatte, schleppte sich bei aller Kampfesmühe wie in Zeitlupe und ohne Inspiration über den Court. Vom selbst auferlegten Anspruch des vergangenen Herbstes, „Anfang 2008 unter die ersten Hundert zu kommen“, war nichts zu sehen. Schockiert erklärte Rittner, „dass der Bonus für Anna-Lena jetzt erst mal aufgebraucht ist. In dieser Verfassung kann ich keine weiteren Einsätze von ihr verantworten.“

Ein neues Leben

Platz 19 nach den French Open 2006, jetzt Platz 300 und seit einem Dreivierteljahr kein einziges Tourmatch mehr: Schneller ist selbst in diesem Zickzack-Geschäft keine andere Spielerin vergleichbar abgestürzt. „Ich habe wieder ein Leben“, hat Grönefeld Ende 2007 verkündet und damit auf das Ende der Allianz mit dem Schleifercoach Rafael Font de Mara angespielt – ein sportliches Verhältnis, das auch deshalb zum Verhängnis wurde, weil es an Hörigkeit grenzte. Doch ob dieses neue Leben noch eins im Spitzentennis sein wird, bezweifeln inzwischen immer mehr Tennis-Kolleginnen, nicht zuletzt deshalb, weil auch nach vielen Monaten zurückgezogener Aufbauarbeit am Saarbrücker Olympiastützpunkt kein nachhaltiger Fortschritt zu erkennen ist. Längst müsste Grönefeld sich mal bei Satellite- oder Challenger-Turnieren stellen, um an einer Rückkehr zu feilen. Doch in diesem Jahr sind schon wieder vier Monate und unzählige Turniere verstrichen, ohne dass sich Grönefeld eingeschrieben hätte. Sie soll für den Bundesligisten TC Karlsruhe-Rüppurr spielen, doch in der Besetzungsliste taucht sie erst auf Platz 9 auf, nominell als Reservespielerin.

„Sie will und soll offenbar aber alle Matches bestreiten“, sagt Rittner, die davon gehört hat, dass Grönefeld sich nun doch für kleinere Turniere im Osten Europas interessiere, „sie sucht wohl einen Anfang jetzt.“

Ziemlich genau vor einem Jahr hatte sich der Absturz Grönefelds drastisch beschleunigt – unter tatkräftiger Mithilfe ihres Ex-Trainers. Rafael Font de Mara reichte nicht, seine ehemalige „Marionette“ (Grönefeld über sich selbst) beiseite zu legen. Er setzte sich sogar bei den French Open in die Spielerloge von Grönefelds Gegnerin oder bastelte in Wimbledon im Spielerrestaurant mit Grönefelds Gegnerin an der Taktik.

Wer die zart besaitete Deutsche kennt, wusste um die schockierende Wirkung: „Erst da wurde mir klar, welch ein Mensch das war. Welch böse Energie in ihm steckt“, sage Grönefeld. „Ich war nur ein Stück Ware. Es ging ihm nicht um mich, sondern um sich und seine Karriere.“

Der Prozess um Vertragsstreitereien und Regressforderungen, den Font de Mara in den USA angestrengt hatte, muss weitere Nerven gekostet haben. Grönefeld zog sich zurück. Sie solle wieder etwas abgenommen haben, sagt Rittner, „aber Genaues weiß ich auch nicht.“ Anna-Lena Grönefeld bleibt ein Rätsel.

Jörg Allmeroth

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