Ein Lächeln mit System

Mit Riesenerwartungen startet der FC Bayern am kommenden Wochenende in die neue Bundesliga-Saison. Trainer Jürgen Klinsmann soll Sehnsüchte erfüllen, attraktiven, schnellen Fußball spielen lassen – und am besten das Triple gewinnen. Doch seine Ära beginnt mit gemischten Gefühlen.
Von Patrick Strasser
Da standen sie. Zu dritt. In Reih und Glied. Zwei Originale und eine Nachbildung. Alle drei, die Meisterschale, den DFB-Pokal und den mächtigen, silbernen Henkelpott, die Trophäe für den Champions-League-Sieger, hatte der FC Bayern noch nie in einer Saison gewonnen. Es ist die unerfüllte Sehnsucht des Klubs, einmal das Triple zu schaffen.
Die drei Pokale sind die Insignien des Erfolgs. Ottmar Hitzfeld und Stefan Effenberg haben sie gewonnen, wenn auch nicht in einer Saison. Hitzfeld, 59, und Effenberg, 40, wurden letzte Woche von einem Pay-TV-Sender in ein schmuckes Münchner Lokal geladen. Sie, die Helden der Vergangenheit, verkörperten den alten FC Bayern. Sie sprachen über den neuen FC Bayern. Über Jürgen Klinsmann, Hitzfelds Nachfolger.
Der neue Bayern-Trainer soll Sehnsüchte erfüllen, attraktiven, schnellen Fußball spielen lassen – und am besten das Triple gewinnen. Den ersten von 34 Schritten in der Bundesliga soll er am Freitagabend machen, mit einem Sieg im Auftaktspiel gegen den HSV in der Allianz Arena.
Eine pikante Note, dass ausgerechnet vor Anpfiff Hitzfeld von einem Fachmagazin geehrt wird – als Trainer des Jahres 2008. Beifallsstürme sind garantiert. Ums nackte Ergebnis geht’s danach bei Klinsmann. Bei Hitzfeld gehen die Uhren jetzt anders. Er ist Schweizer Nationaltrainer. Er sprach über seinen Nachfolger so, als wolle er sagen: So, Junge, nun mach du mal. Hol mal ein paar Pokale. „Jürgen hat sich selbst unter Druck gesetzt“, sagte Hitzfeld. Damit nicht genug. „Jürgen ist ein Typ, der sich reinkniet, der sich aufbraucht. Ich bin gespannt, wie er das mental packt und wie er dann in drei, vier Jahren aussieht. Ich habe in meiner ersten Amtszeit sechs Jahre geschafft, war dann aber gezeichnet.“ Dazu lachte er herzhaft.
Klinsmann auch. Jedes Mal. Er strahlt, wenn er den Raum betritt. Die Wände des Raumes sind grau, betongrau. Als wäre alles unfertig. „Mahlzeit“, ruft er. So laut, dass die wartenden Reporter im neu erbauten Interview-Raum erschrecken. Ein Raum? Es gleicht mehr einem Ufo. Abgeschnitten vom Tageslicht, mit Türen zu Nebenräumen und in die Mitarbeiterkabine. Spieler und Trainer werden hier, wo früher Fans beim Training zusahen und dazu Weißwürste und Weißbier genossen, täglich reingeführt. Wie zum Verhör. „Habt ihr alle einen Kaffee bekommen?“, fragt Klinsmann. Lächeln mit System. Als sorge er sich. Die Reporter sorgen sich. Um den FC Bayern. Geht es einmal nicht um Taktik, Systeme oder Verletzte, sondern um des Trainers Kleidung oder seine Familie, erlischt das Lachen in Klinsmanns Gesicht. Einem Zeitungsredakteur entgegnete er: „Sie interessieren sich wohl nicht für Fußball.“
Im Interviewraum hängen Bilder der Vergangenheit. Die Bilder künden von den größten Triumphen der 70er Jahre. Von Maiermüllerschwarzenbeck, Ulikallefranz. Und von Effenberg, von 2001.
Er brauche mehr Zeit, sagt Klinsmann. Den Reportern gibt er zwei Mal die Woche eine Viertelstunde. Er selbst braucht womöglich bis zu zwei Jahre. Für Klinsmann wird sein erstes Klubtrainer-Jahr zum Geduldspiel. Er will seine Philosophie, seine Handschrift an den Mann, sprich an die Spieler und den Fan bringen. „Das wird Monate dauern, vielleicht auch ein, zwei Jahre“. Er sei selbst gespannt „wie das in ein paar Monaten ausschauen wird.“
Etwas unglücklich, diese Formulierung. Die Verantwortlichen meldeten sich zu Wort. Uli Hoeneß, der auf ausdrücklichen Wunsch von Klinsmann neben ihm auf der Bank sitzen darf, meinte zu allen Neuerungen: „Das alles schießt keine Tore.“ Präsident Franz Beckenbauer meinte, man müsse sich „davonschwindeln in den ersten Wochen der Saison. „Wir müssen zusehen“, mahnte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, „dass die Neuerungen, die Jürgen eingeleitet hat, zügig greifen.“
Zügig. Als Gegenwind für die Kritiker. Für Lothar Matthäus etwa. Oder Udo Lattek, ein Mann der Vergangenheit. Hervorgekramt von einer Fachzeitschrift, durfte auch Lattek über Klinsmann lästern. Offenbar witzig, dass der Ex-Trainer über den Bäckerssohn Klinsmann sagen darf: „Er soll kleine Brötchen backen.“ Dennoch, es ist ein Teil des medialen Wahnsinns, der Klinsmann in München begrüßte.
Das Klubgelände an der Säbener Straße ist zu einem Leistungszentrum umgebaut worden. Klinsmann brachte seine Ideen ein, gute Ideen. Professionalität mit einem ganzen Stab, mit elf Helfern. Und ganz oben, auf dem Dach der neuen Spielerlounge, der selbsternannten Wohlfühloase, stehen weiße Buddha-Figuren. Reine Zierde, sagt Klinsmann. Einen Spaß machen sich die Fans draus, zuletzt sangen sie: „Spitzenklasse dank der Dachterrasse.“
Wo Bayern ist, ist eben oben. Und meist auch Hitzfeld, als Experte für Premiere. Wie Effenberg. „Ein schlechtes Spiel werde ich nie gutreden“, sagte Hitzfeld in einem People-Magazin, „das kann man auch sachlich machen. Fürs Grobe gibt es Stefan Effenberg.“