Ein großer Schritt für Tarek Rasouli
Münchner - Der 23. Juli 2002 änderte alles im Leben von Tarek Rasouli. Bis dahin hatte er die meiste Zeit auf dem Rad verbracht: Mountainbiking, Freeriding, mit 27 war er der Posterboy der Bike-Magazine.
Doch als es bei Filmaufnahmen im kanadischen Sun Peaks am späten Nachmittag schnell gehen musste, war mit einem Schlag alles vorbei: Sprung falsch eingeschätzt, zu weit geflogen, auf den Füßen gelandet, aus der Traum. Im Sessellift hatten sie zuvor noch über seinen Versprecher gelacht: "Schöne Aussicht hier im Wheelchair" - statt Chairlift.
Laufen für die, die nicht laufen können
Vier Stunden später war er querschnittsgelähmt. Nach 18 Jahren im Rollstuhl nimmt Rasouli am Sonntag an einem Lauf Teil, der 2014 für Menschen wie ihn erfunden wurde: am "Wings for Life World Run", ein Wohltätigkeitslauf, dessen Einnahmen in die Rückenmarksforschung gehen.
Motto: Laufen für die, die nicht laufen können. Rasouli wird erstmals nicht im Sitzen mitmachen, sondern im Stehen, als Läufer - dank eines Exoskeletts.

Prominente Teilnehmer
Klingt nach Iron Man und Avatar, ist für den 47-Jährigen aber so etwas wie eine Offenbarung, ein Mutmacher, eine Oase in der Wüste. An prominenten Mitläufern hat es dem von Red Bull diesmal als App-Run veranstalteten Charity-Event nie gemangelt:
Frank Buschmann ist die Stimme der App, Kai Pflaume schnürt die Joggingschuhe, und Felix Neureuther misst sich im Fernduell wieder mit seiner Nemesis Marcel Hirscher.
Lauf mit Exoskelett
Doch Rasoulis Lauf ist sicher der spektakulärste, auch wenn er wohl die wenigsten Meter aller Teilnehmer zurücklegen wird. "In einer Stunde schaffe ich vielleicht tausend Schritte, 600, 700 Meter", sagt er, "aber ich laufe ja nicht selbst. Ich werde sozusagen gelaufen. Die Schritte macht das Exoskelett, das fast wie ein Roboter funktioniert."
Seit Oktober trainiert er mit dem Anzug, fährt zwei Mal pro Woche nach Augsburg, weil es in der näheren Umgebung nur dort in einer Ergotherapie-Praxis zwei Maschinen gibt. 150.000 Euro kostet dieses Wunderwerk der Technik, das Rasouli Dinge erleben lässt, die er kaum mehr für möglich gehalten hätte: "Es ist magisch."
Eine Art Segway für Querschnittsgelähmte
Der Ex-Freeride-Profi beschäftigt sich immer noch mit seinem Lebensthema: dem Radfahren. Wer ihn in seiner 2005 gegründeten Schwabinger Agentur Rasoulution besucht, reibt sich die Augen:
Mit festgezurrten Beinen steht Rasouli in einem Smove, einer Art Segway für Querschnittsgelähmte. Nur in aufrechter Haltung werden seine Wirbelsäule ideal belastet und der Bewegungsapparat gefordert.
"Es ist anstrengend, gerade mental"
"Es ist anstrengend, gerade mental", sagt er, "es ist wichtig, dass du die Bewegung mitmachst, auch wenn es nur vom Kopf her ist. Du versuchst, die Impulse zur Ansteuerung zu geben oder das Knie durchzustrecken. Zwischen Gesäß und Knie habe ich noch am meisten Gefühl.
Anstrengend ist es vor allem im Rücken: total neue Muskulatur! Und ich merke, dass sich im Gesäß etwas tut. Da bekomme ich tatsächlich mehr Sitzfleisch."
Er hat immer noch harte Tage, mit der immer gleichen Frage: Warum gerade ich? "Die Schmerzen in den Beinen sind so, dass du aus dem Fenster springen willst. Am Anfang tat es schon weh, nur jemanden auf dem Fahrrad zu sehen. Früher wollte ich Dirtbike fahren, bis ich 50 bin."
Mit dem Handbike die Isar entlang
Jetzt kurbelt er im Handbike die Isar entlang: 70, 80 Kilometer, mit Wattanzeige und Pulsuhr, auch elfprozentige Steigungen.
"Wichtig ist, trotzdem Sport zu machen. Das hilft nach einem Unfall, denn man weiß, was es heißt zu kämpfen. Gerade am Anfang, wenn man unsicher ist, sind Wille und Fokus enorm wichtig. Man kann den Wunsch nach Heilung mit dem Wunsch nach Olympia-Gold vergleichen."
Rasouli will bereit sein, falls die Wissenschaft irgendwann so weit ist, Rollstuhlfahrern wieder auf die Beine zu helfen. In Lausanne habe es mal einen Querschnittsgelähmten gegeben, der mit Rollator beim Wings for Life Run mitgelaufen sei, erzählt Rasouli.
Duell mit Hannes Kinigadner
Entstanden war die Stiftung, als der Sohn des Motocross-Weltmeisters Heinz Kinigadner 2003 nach einem Rennsturz mit dem Motorrad vom Hals abwärts gelähmt war. Kinigadner, eines der ersten Red-Bull-Testimonials, wandte sich an seinen Freund Didi Mateschitz, der daraufhin Wissenschaftler aus aller Welt nach Salzburg einlud: die Geburtsstunde der Forschungsstiftung "Wings for life".
Mit dem Kinigadner-Sohn Hannes, der am Sonntag auch mit einem Exoskelett antritt, bestreitet Rasouli einen internen Wettkampf. Sein Kilometer-sammelndes Team besteht aus 130 Freunden, darunter Trial-Bike-Legenden wie Danny MacAskill und Fabio Wibmer, "aber der Hannes hat bestimmt 200". Da hilft nur das Forrest-Gump-Credo: Renn, Tarek, renn!
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