Ein Gag im Dunklen

Impressionen vom ersten Training für die Premiere des Nachtrennens von Singapur: Hier wirken die Autos wie geschminkte Models. Und die Sponsoren haben ihre helle Freude
SINGAPUR Es ist noch nicht ganz dunkel, als am Freitag Abend um 19 Uhr Ortszeit in Singapur die ersten Boliden auf die Strecke rollen. Und doch blitzen die blitzsauberen Karossen schon jetzt im gleißenden Licht der Streckenbeleuchtung wie etwas zu sehr geschminkte Models auf dem Laufsteg.
Die Sponsoren werden am ersten Flutlichtrennen in der Geschichte der Formel 1 ihre Freude haben. Noch nie waren ihre Logos auf den Autos so gut und wirkungsvoll zu sehen wie hier, auf dieser neuen Strecke mitten in der Innenstadt der asiatischen Finanzmetropole.
Als die Boliden wenige Minuten später, mittlerweile trübt kein Sonnenstrahl mehr das faszinierende Lichtspiel, richtig eintauchen in den gleißend hellen, von weißen Gittern und blinkenden Planken gesäumten 23-Kurven-Kurs, wirkt es so, als ob Hollywood nun endgültig die Formel 1 erobert hätte. Man wähnt sich im Kinosaal, als Sebastian Vettel in seinem dunkelblau-goldenen Toro Rosso oder Lewis Hamilton in seinem blitzenden Silberpfeil durch den engen Straßenkanal rauschen.
In der Totalen erheben sich vor dem Flutlichtkanal am Wegrand das gigantomanische, 165 Meter hohe Riesenrad, von dem man die beste Sicht auf die Strecke hat. 14 Euro kostet eine Fahrt in einer der linienbusgroßen Gondeln. 40 Minuten dauert sie. Weiter hinten erhebt sich ein Ensemble finster drohender, vergleichsweise schwach erhellter Wolkenkratzer.
Eine Szenerie, als hätte Steven Spielberg New York City räumen lassen für einen Flutlicht-Film.
Die Fahrer indes orientieren sich an den rot-weißen Randsteinen, die ihnen wie lackierte Schlangen den Weg weisen, der manchmal breit ist wie die 5th Avenue und dann plötzlich eng wie die Münchner Kreuzstraße. Die grünen Ausflaufzonen sind nur einen Meter breit. Dann kommt direkt die Wand, in die Mark Webber (Red Bull) als erster hineinsteuert. Ein Black-Out.
Von den für einen Freitag richtig gut besuchten Tribünen brandet lauter Jubel auf.
Diese fast schon schreiende Helligkeit wie im Marina Bay zu Singapur hat die Welt einfach noch nicht gesehen – und begeistert schon am ersten Tag alle Beteiligten.
„An das Licht gewöhnt man sich binnen zwei Runden“, sagt BMW-Pilot Nick Heidfeld nach seiner ersten Ausfahrt, „ansonsten ist die Atmosphäre fantastisch.“ Nico Rosberg meint, dass er „mit dem Licht überhaupt keine Probleme“ gehabt habe.
Die McLaren-Mercedes-Fahrer dagegen probieren in der ersten Trainingssitzung trotzdem reihenweise vollverspiegelte und verschiedenfarbige Visiere aus. Der schwarze Himmel, die fehlende Sonne, die schneeweißen Strahlerbatterien - „da fehlt den Augen die gewohnten Kontraste“, sagt Peter Bürger vom Helmhersteller Arai. Die Piloten, naturgemäß große Fans von großscheibigen Sonnenbrillen, freuen sich. Lewis Hamilton entscheidet sich am Ende für ein gelbes Visier, sein Teamkollege Heikki Kovalainen und Sebastian Vettel für ein orange farbenes. Der Gräfelfinger Adrian Sutil gar für eine völlig klare Sichtblende. „So habe ich den besten Durchblick“, meint er.
Der Aachener Streckenarchitekt Hermann Tilke, dieses Mal nur als Gast vor Ort, schwärmt jedenfalls: „Der Gag scheint gelungen zu sein.“ In der Tat.
Peter Hesseler