Ein Fall für Frau Merkel
MÜNCHEN - Nach Wien, Belgrad, Ungarn, Brasilien und Salzburg: Lothar Matthäus steht vor seiner sechsten Station als Trainer im Ausland. Der Rekord-Internationale trainiert ab Juni Maccabi Netanya – und Bayern-Manager Hoeneß belustigt sich .
Ambitioniert ist der neue Chef von Lothar Matthäus bei Maccabi Netanya auf jeden Fall. Im Herbst 2006 nämlich wollte Klubeigner Daniel Jammer (41), ein deutscher Immobilienkaufmann aus Frankfurt mit jüdischen Wurzeln, einen ganz Großen des Weltfußballs zu Israels Traditionsklub holen: David Beckham. 7,5 Millionen Dollar hatte der 40-Jährige damals Real Madrid hochoffiziell geboten, doch Englands Fußball-Ikone sagte ab. Nun hat Jammer jedoch einen ähnlich großen Coup gelandet – und Lothar Matthäus als Cheftrainer verpflichtet. Der 47-Jährige unterschrieb beim aktuellen Zweiten der Ligat ha’Al, Israels Topliga, bis 2010 .
Für Jammer ist die Verpflichtung des deutschen Rekordnationalspielers selbstverständlich „ein großer Schritt für den deutschen und israelischen Fußball“. Für Matthäus („Wenn man mal dort war, muss man Israel einfach lieben“) ist es bereits die sechste Station im Ausland – nach Rapid Wien, Partizan Belgrad, Ungarns Nationalmannschaft, dem brasilianischen Klub Atletico Paranaense und Red Bull Salzburg, wo er im Juni 2007 als Co-Trainer Giovanni Trapattonis gefeuert wurde. Und für Uli Hoeneß ist Matthäus, der sein Herz bekanntlich auf der Zunge trägt, nun sogar ein potenzieller Fall für die Bundeskanzlerin. „Hoffentlich hat die Frau Merkel demnächst nicht so viel Arbeit, die diplomatischen Beziehungen wieder zu verbessern“, lästerte Bayerns Manager am Samstagabend im „ZDF-Sportstudio“.
Hoffen auf das internationale Geschäft
Diplomatie hin, Spott her – tatsächlich steht Matthäus, der derzeit an der Sporthochschule in Köln seine Trainerlizenz erwirbt, vor einer sportlich schwierigen Aufgabe. Denn Netanya, an der Westküste Israels zwischen Tel Aviv und Haifa gelegen, hatte seine große Zeit in den 80er Jahren. „Damals waren sie fünf Mal Meister, zwei Mal Pokalsieger. Doch in den vergangenen 25 Jahren herrschte nur Stagnation“, hatte Jammer im Mai 2006 gesagt, als er den Verein für knapp eine Million Euro übernommen hatte. Jammer, der vor Ort mit seiner Familie lebt, hat seitdem viel Geld in den 1934 gegründeten Verein gesteckt. Der erste Erfolg: Matthäus darf nun auf die Teilnahme am Europapokal – Israels Fußballverband ist aufgrund der schwierigen politischen Situation des Staates mit den arabischen Nachbarn seit 1994 Uefa-Mitglied – hoffen. Aufgrund dieser Tatsache fängt der Weltmeister von 1990 bereits Mitte Juni im Nahen Osten an, „weil wir wahrscheinlich zur Qualifikation zum Uefa-Cup ran müssen“.
Spieler vom Kaliber Beckham wird Matthäus allerdings auch dann nicht zur Verfügung haben. Der bekannteste Profi beim aktuellen Tabellenzweiten Israels ist dieser Tage Francis Kioyo. Jener Kioyo, an den sich jeder Löwen-Fan mit Grauen erinnert. Der Kameruner hatte 2004 mit seinem vergebenen Elfmeter gegen Hertha BSC den Abstieg des TSV 1860 eingeleitet. Im Winter holte Netanya den Stürmer von Energie Cottbus. Jochen Schlosser